Luftkrieg: Rotterdam
"Verletzung der Neutralität Belgiens und Hollands ist bedeutungslos"
Am 14. Mai 1940 haben die Nazis einen Luftangriff auf Rotterdam durchgeführt, bei dem die Altstadt weitgehend zerstört wurde. Dieses Ereignis wird gelegentlich als bedauerlicher Zwischenfall bezeichnet, zu dem es nur aufgrund unglücklicher Umstände gekommen sei.
Nachdem die Übergabe der Stadt an die deutschen Truppen vereinbart war, so lautet die Erklärung, sei sofort der Befehl an die Bomber gegeben worden, den Angriff abzubrechen, aber da die Flugzeuge bereits die Schleppantennen eingezogen hatten, habe man sie nicht mehr erreichen können. Auch Leuchtsignale, die vom Boden gegeben wurden, hätten nichts mehr ändern können.
Diese Darstellung ist zwar richtig, sie klammert aber wesentliche Gesichtspunkte aus. Zunächst einmal haben die Bomber genau das getan, was sie tun sollten: Sie haben die Innenstadt bombardiert, weil sie offenbar den Auftrag hatten, Zivilisten zu treffen. Etwa 900 Menschen starben, etwa 25.000 Häuser brannten aus, etwa 78.000 Menschen wurden obdachlos. (vgl. DHM: Rotterdam)
Am verbrecherischen Charakter des Auftrags kann auch die Tatsache nichts ändern, dass die Flugzeuge beinahe noch zurückgerufen worden wären.
Die Maschinen sollten ja nicht etwa zurückgerufen werden, weil die Nazis auf einmal Gewissensbisse bekommen und beschlossen hätten, die Zivilbevölkerung zu schonen. Diese Absicht hatten die Nazis ganz sicher nicht, denn sie haben gedroht, als Nächstes auch noch Utrecht zu bombardieren, und daraufhin haben die Niederlande am 15.5.1940 kapituliert. (vgl. Enzyklopädie des Holocaust, S. 706)
Ein legitimer Luftangriff?
Es gibt offenbar Militärhistoriker und Luftkriegsexperten, die der Ansicht sind, "dass es sich bei Warschau und Rotterdam um legitime taktische Luftangriffe auf verteidigte Städte im Frontgebiet handelte", so Horst Boog in einem Beitrag für die rechtsextreme "Junge Freiheit" (40/04, 24.9.2004).
Das ist eine verkürzte und unzutreffende Darstellung des Sachverhalts. Der Luftangriff auf Rotterdam wird nicht dadurch legitimiert, dass die Niederländer sich gegen den deutschen Überfall gewehrt haben.
Was hatten denn die deutschen Truppen überhaupt in einer niederländischen Stadt zu suchen? War das legitim?
Wenn aber der Angriff auf die neutralen Niederlande nicht legitim war, dann waren es die Bombenabwürfe auf Rotterdam im Rahmen dieses Feldzuges auch nicht.
Hitler hat schon lange vor dem Angriff gesagt, was er von der Neutralität der Nachbarländer hielt:
Mein Entschluss ist unabänderlich. Ich werde Frankreich und England angreifen zum günstigsten und schnellsten Zeitpunkt. Verletzung der Neutralität Belgiens und Hollands ist bedeutungslos.
Wenn man den Angriff auf die neutralen Niederlande verurteilt, dann sollte man auch so konsequent sein, den Luftangriff auf Rotterdam auf die gleiche Weise zu verurteilen. Von "legitim" kann bei diesem Überfall auf ein neutrales Land keine Rede sein.