Luftkrieg: Guernica
Die Erprobung der jungen Luftwaffe
In Guernica leben die glücklichsten Menschen.
Ihre Angelegenheiten regeln sie
durch eine Körperschaft von Bauern unter einer Eiche,
und stets verhalten sie sich klug.
Jean Jacques Rousseau
zit. n. Gordon Thomas und Max Morgan-Witts,
Der Tag an dem Guernica starb
Im Jahre 1937 war es mit der Idylle, die Rousseau beschrieben hat, vorbei. Bis März 1937 hatten die Deutschen über 5000 Soldaten nach Spanien geschickt. Es handelte sich um die "Legion Condor", eine Elitetruppe der modernen Luftwaffe, die Göring aufbauen wollte. Der Streitmacht standen unter anderem 25 umgebaute Ju 52 als Bomber zur Verfügung.
Nachdem die Legion Condor die marokkanischen Truppen des Faschistenführers Franco nach Spanien transportiert hatte, griffen die deutschen Flugzeuge auch direkt in den Bürgerkrieg ein und bombardierten im Laufe der Zeit unter anderem Madrid, Durango, Munditibar und Bilbao.
Die Ursachen des Konflikts, der Spanien in zwei feindliche Lager spaltete, waren komplex. Zu Anfang konnte keineswegs davon die Rede sein, dass hier "das Militär" gegen die Bauern stand oder der Faschismus gegen den Kommunismus, wie es später von vielen Beobachtern vereinfacht wurde.
Francos Nationalisten wollten ein vereinigtes Spanien schaffen, die Basken wollten die Unabhängigkeit oder wenigstens die Autonomie bewahren. Die Angehörigen der Legion Condor selbst waren zwar überwiegend der Ansicht, man hätte sie nach Spanien geschickt, um die Ausbreitung des Kommunismus aufzuhalten, aber das entsprach nicht den tatsächlichen Gegebenheiten.
Falls überhaupt, so wußten nur sehr wenige Flieger, dass das Baskenland keineswegs kommunistisch orientiert war: Zwar gab es dort Kommunisten, doch die Mehrzahl der Basken wurde von dem Wunsch getrieben, sich die Unabhängigkeit zu erkämpfen.
Am 26. April 1937 griff die Legion Condor Guernica an, die baskische "Hauptstadt des Herzens". Das wichtigste Ziel war es angeblich, die Renteria-Brücke vor der Stadt zu zerstören, um die Bewegungsmöglichkeiten feindlicher Truppen einzuschränken. Von Richthofen, der Kommandant der Legion Condor, der später in Hitlers persönlichen Stab berufen wurde, ließ die übliche Bombenmischung laden: Sprengbomben, Splitterbomben und Brandbomben.
Hauptmann von Krafft sagte später aus, er habe "mit aller Entschiedenheit gegen die Verwendung von Brandbomben" protestiert (Guernica, S. 236). Die nur 1 Kilogramm schweren Bomben würden unkontrolliert fallen, zumal die Einsatzleitung die Abwurfhöhe auf 2000 Meter festgelegt hatte - eine außergewöhnlich große Höhe, aus der es zu einem hohen Prozentsatz an Fehlwürfen kommen würde.
Hinzu kam noch, dass Brandbomben aus einem ganz bestimmten Grund für das vorgegebene Einsatzziel nicht geeignet waren: Die Renteria-Brücke direkt vor der Stadt, die angeblich zerstört werden sollte, bestand aus Stein. Allein die drei Junker-Staffeln, die eingesetzt wurden, hatten jedoch mehr als 2500 Brandbomben an Bord, und eine "goldene Regel" der Bomberpiloten besagte, dass alles, was man an Bord nimmt, auch abgeworfen wird - zur Not sogar "blind" und ohne Rücksicht auf das, was sich gerade unter einem befindet. Mit den Bomben wieder zu landen, galt als zu gefährlich und kam nicht in Frage.
Insgesamt haben die Flugzeuge der Legion Condor für den Angriff auf Guernica 50.000 Kilogramm Bomben geladen, dabei hätte ein einziger Stuka zur Zerstörung der Brücke völlig ausgereicht. In der Legion Condor diente damals auch Rudolf von Moreau, ein legendärer Bombenschütze, der sich immer wieder durch erfolgreiche Präzisionswürfe unter schwierigsten Bedingungen hervorgetan hat. Dieser Pilot in einem Stuka mit einer 250-Kilogramm-Sprengbombe, und das angebliche Einsatzziel wäre im Handumdrehen erreicht gewesen. Der Kommandeur von Richthofen hat die Stukas für den Einsatz in Guernica jedoch überhaupt nicht eingeteilt.
Hauptmann Krafft musste sich bei der von Major Fuchs geleiteten Besprechung vor dem Einsatz den Befehlen beugen. Alle Einwände wurden weggewischt, der Angriff wurde wie geplant durchgeführt.
Ein Haufen Brandbomben landete zwischen den fünfzig Mädchen, die in der Bonbonfabrik arbeiteten. Die Bomben explodierten unter grellem, weißem Aufblitzen. Dann flammten und brannten sie wild und versprühten rote und weiße Stückchen Thermit.
Die Stadt glich nach dem Angriff einem Trümmerfeld, 70% der Häuser waren zerstört, auch Rathaus und Kirche waren getroffen worden. Die Steinbrücke vor der Stadt hatte dagegen keinen Kratzer abbekommen. Pablo Picasso hat die Tragödie in einem Bild verarbeitet, das den Namen der Stadt als Titel trägt.
Wie nicht anders zu erwarten, wurden sofort nach dem Angriff die ersten Dementis veröffentlicht, und bis heute verbreiten Holocaust-Leugner und Hitler-Anhänger das Märchen, es wäre alles ganz anders gewesen. Einige Behauptungen sollen hier behandelt werden:
Die Flugzeuge hatten keine Brandbomben geladen, die Basken haben Guernica selbst angezündet.
Diese Ausrede wird durch die Aussagen der Piloten der Legion Condor selbst widerlegt; siehe oben.
Es wurden nur rein militärische Ziele angegriffen.
Auch dies wird durch die Aussagen ehemaliger Offiziere der Legion Condor widerlegt. Sie haben erklärt, ihnen sei seinerzeit nichts über die Anwesenheit feindlicher Truppen in Guernica bekannt gewesen. Da sie nichts über feindliche Truppen wussten, kann es in der Stadt für sie auch keine militärischen Ziele gegeben haben (vgl. Guernica, S. 282).
Die Sicht war schlecht, die Bombenabwürfe auf die Stadt waren ein bedauerliches Versehen
Das ist nicht wahr; die Sicht war sogar sehr gut.
Beim Anflug auf Guernica sah Krafft "nichts von der Stadt, nur Rauch, der südwestlich darüber hintrieb". Aber der Hauptmann konnte die Renteria-Brücke ausmachen, die von Rauchschwaden völlig frei war.
Die Rauchschwaden über der Stadt stammten von den Brandbomben, die kurz vorher abgeworfen worden waren. Danach war die Sicht natürlich behindert - aber vorher ist die Sicht auch über der Stadt so gut gewesen, wie sie es hinterher noch über der Brücke war.
Ein weiterer Beleg dafür, dass die Sicht gut war, ist ein Foto, das Pater Eusebio Arronategui durch Zufall aufnehmen konnte. Es zeigt drei Bomber, die sich im Anflug auf Guernica befinden.
Wenn der Pater, der direkt vor der Kirche stand, die Flugzeuge sehen und fotografieren konnte, dann konnten natürlich umgekehrt auch die Flugzeugführer die Stadt sehen. Das Interessante an diesem Foto ist übrigens, dass die Bomber zu dritt nebeneinander flogen. Die Formation schließt aus, dass die schmale Renteria-Brücke das Ziel der Bomber war.
In Wahrheit dürfte es den Nazis darum gegangen sein, eine moderne Luftkriegführung zu entwickeln und zu erproben, denn obwohl die Brücke - angeblich das Ziel des Angriffs - nicht beschädigt wurde, erklärte Freiherr von Richthofen in einem Geheimbericht nach Berlin, der Angriff sei "ein großer Erfolg" gewesen.
Bestätigt wird diese Deutung auch durch eine Aussage von Hermann Göring:
Mir gab Spanien die Gelegenheit, meine junge Luftwaffe zu erproben ... und den Leuten, Erfahrungen zu sammeln.