Dr. Claus Nordbruch
Offenkundigkeit des Holocaust
Nordbruch führt in diesem Text aus, dass Gerichte Beweisanträge dann ablehnen können, wenn die Offenkundigkeit eines Sachverhalts auf der Hand liegt. Selbstverständlich wendet er ein, dies sei beim Judenmord nicht gegeben, und führt dafür eine Reihe von Argumenten an.
Er benennt die seiner Ansicht nach entscheidenden Punkte in Form einer Liste, die er folgendermaßen überschreibt:
Die sich aufdrängende Fragwürdigkeit von der "Offenkundigkeit des Holocaust" wird durch die Ergebnisse, Darstellungen und Behauptungen innerhalb der gängigen Geschichtsschreibung weiter unterstützt:
Die Hervorhebung ist von mir. Danach folgt dann die Liste, die relativ schnell als Ansammlung längst widerlegter "revisionistischer" Scheinargumente zu durchschauen ist, und die - natürlich - mit der "gängigen Geschichtsschreibung" nicht das geringste zu tun hat.
Einige Beispiele:
In der sozialdemokratischen Berner Tagwacht vom 24. August 1945 hieß es sich auf Untersuchungsbeamte der französischen Regierung berufend, daß "in allen deutschen Konzentrationslagern 26 Millionen Menschen ermordet worden" seien, wovon die meisten in Dachau (!) ihr Leben verloren hätten.
Nordbruch hat unter anderem Geschichte studiert. Glaubt er wirklich, man könne mit einer Falschmeldung in einer Zeitung von 1945 alles aufheben, was die Geschichtswissenschaft in den folgenden 60 Jahren über den Judenmord herausgefunden hat? Offenbar glaubt er es, sonst hätte er diesen Punkt ja nicht erwähnt. [vgl. Berner Tagwacht]
Britische Quellen wiederum stellten 1963 dem widersprechend fest, daß "niemand je wissen wird, wie viele Menschen zwischen 1943 und dem Ende des Krieges vernichtet" worden seien, es aber angenommen (believed) werden müsse, daß es sich um "mehr als vier Millionen" Russen, Polen und Juden gehandelt habe.
Dieses "Argument" ist einfach unschlagbar. Nordbruch nennt seine Quellen nicht, also kann man sie auch nicht widerlegen. Sehr praktisch.
Der amerikanisch-jüdische Rechtsanwalt und Statistiker LISTOJEWSKI erklärte in den fünfziger Jahren in der kalifornischen Zeitschrift The Broom, daß er nach zweieinhalbjähriger Forschung die Zahl der im Dritten Reich getöteten Juden nicht exakt habe feststellen können, sie aber auf etwa 500.000 schätze (!). Diese Meldung wurde in Deutschland seinerzeit von der Rheinzeitung am 28. März 1958 wiedergegeben.
Auch hier gilt wieder, was ich oben schon sagte. Will Nordbruch allen Ernstes die Geschichtswissenschaft von heute mit einem Zeitungsartikel von 1958 angreifen? Im Übrigen ist dies ohnehin eine höchst fragwürdige Quelle. [vgl. Listojewski]
Im Mai 2005 hieß es im National Geographic Magazin, daß in Auschwitz mittels des Insektizids Zyklon B "mehr als eine Million" Menschen vergast worden seien. Diese Ziffer hatte auch die Washington Post in ihrer Rezension kritiklos übernommen. Die im Februar 1991 von der Sowjetunion freigegebenen Sterbebücher von Auschwitz dokumentieren jedoch rund 74.000 Tote, davon etwa 30.000 mit jüdischem Namen.
Was haben die Sterbebücher mit den Gaskammern zu tun? Nichts. Auch dies ist längst bekannt und ein alter Trick der Holocaust-Leugner. [vgl. Sterbebücher.]
Am Ende der Liste rechtfertigt Nordbruch diesen Unfug folgendermaßen:
Es ist hervorzuheben, daß die oben dokumentierten Beispiele allesamt etablierten Quellen entstammen.
Das ist falsch. Es handelt sich hier keineswegs um Beispiele aus der "gängigen Geschichtsschreibung", wie Nordbruch eingangs behauptet hat.
Vielmehr handelt es sich um einschlägig bekannte Beispiele für "revisionistische" Geschichtsfälschung.
Ich weiß nicht, was für eine Geschichtswissenschaft der Mann studiert hat, aber es muss eine andere sein als diejenige, auf deren Erkenntnisse ich zurückgreife. In den Werken, die ich in meiner Literaturliste genannt habe, taucht keine einzige dieser "etablierten Quellen" auf - oder wenn, dann höchstens in Form einer kritischen Anmerkung über die Methoden der Holocaust-Leugner, aber keinesfalls als glaubwürdiges Fundament für irgendwelche historischen Erkenntnisse.
Umgekehrt lässt Nordbruch die Historiker, die über den Holocaust geforscht haben, weitgehend unerwähnt; und wenn er sie nennt (wie Broszat), dann bezieht er sich auf einen Leserbrief, aber nicht auf Broszats geschichtswissenschaftliche Arbeiten.
So zeigt sich auch bei Nordbruch, dass die "Revisionisten" kaum etwas in der Hand haben, um seriöse geschichtswissenschaftliche Werke methodisch sauber und mit fundierter Quellenkritik anzugreifen. Sie sind darauf angewiesen, den Historikern teilweise völlig absurde Behauptungen und Zeitungsmeldungen vorzuhalten, die von den Historikern nicht zu verantworten sind und die keinesfalls als verlässliche Quellen in deren Arbeiten eingeflossen sind.
Die Argumentation der "Revisionisten" mutet häufig an, als wollten sie die Existenz des Bodensees mit der Behauptung bestreiten, die Nordsee sei gerade zu kalt zum Baden.
Der hier besprochene Artikel von Nordbruch erschien übrigens in der Ausgabe 2/2006 der Schriftenreihe "Deutschland in Geschichte und Gegenwart" im Grabert-Verlag. Die Verlagsleitung hatte offenbar keine Hemmungen, Nordbruchs Unsinn zu publizieren.
Weitere Texte
Auch in anderen Veröffentlichungen wiederholt Nordbruch längst bekannte und längst widerlegte rechtsextremistische Positionen. So schreibt er etwa in "Zündeln am Pulverfaß - Was hat 'der Holocaust' mit der 'iranischen Atombombe' zu tun?":
(...) so kamen am 6. August 1945 in Hiroshima binnen weniger Stunden weit über 350.000 Japaner um, mindestens ebenso viele Menschen wurden am 13./14. Februar 1945 in Dresden getötet
Die Zahl der Opfer hat Nordbruch hier etwa um das Zehnfache überhöht. Nordbruch muss wissen, dass diese Zahl nicht haltbar ist; immerhin hat der Mann Geschichte studiert.
Nebenbei bemerkt - würde man auf die 25.000 - 35.000 Toten von Dresden die Methoden der "Revisionisten" anwenden, die Nordbruch so sehr schätzt, dann bliebe kein einziges Opfer übrig. Auch dieser Text erschien übrigens in der schon erwähnten Schriftenreihe "Deutschland in Geschichte und Gegenwart". Man sollte vielleicht über eine Umbenennung in "Revisionistische Anekdoten" nachdenken.
Bemerkenswert sind auch die Worte, mit denen Nordbruch in einem anderen Text den "Revisionisten" David Irving lobt:
Am 14. November wurde David Irving, der bekannteste Historiker der Welt, auf dem Weg zu einer Veranstaltung einer Burschenschaft in Wien verhaftet.
Der bekannteste Historiker in Nordbruchs Welt hat seine Meinung über die Zahl der Opfer von Dresden geändert. Zuerst waren es 135.000, dann passte Irving sich der etablierten Geschichtsschreibung an und wandte sich 1966 in einem Leserbrief an die Times, um den Fehler zu korrigieren. Eine Zahl von 350.000 Opfern hat Irving nie vertreten.
Daraus können wir nur folgern: Irving ist zwar der bekannteste Historiker in Nordbruchs Welt, aber Nordbruch weiß es trotzdem besser.
Nordbruch hat anscheinend Hitler und den NS-Staat ins Herz geschlossen, und selbstverständlich hat das Hitlerregime auch nicht den Zweiten Weltkrieg angezettelt:
Die Friedensjahre des nationalsozialistischen Deutschland waren für die überwältigende Mehrheit seiner Bewohner gekennzeichnet durch eine funktionierende Wirtschaft und eine funktionierende Gesellschaftsordnung. Ist es überhaupt geistig zu erfassen, wie das Deutsche Reich nach 15 oder 20 Jahren Aufbauarbeit - diese Zeitspanne hatte sich der Reichskanzler noch 1939 erbeten - ausgesehen hätte? Das Herz Europas wurde jedoch mit einem Krieg überzogen, den alle Kulturnationen verlieren sollten. Die Deutschen wurden darüber hinaus von ihrem Staat "befreit", der der Masse des Volkes "Arbeit und Brot" und den sozialen Frieden gebracht hatte und der nicht zuletzt deshalb von der überwältigenden Mehrheit des Volkes bis zum bitteren Ende getragen wurde.
Über die zig Millionen toten Kriegsteilnehmer und Zivilisten und die sechs Millionen ermordeten Juden verliert Nordbruch kein Wort. Warum auch? Am Krieg und den Toten waren die anderen schuld, und der Holocaust ist nicht passiert.
Nordbruch übt sich hier in Meinungsfreiheit im allerbesten Sinne - frei schwebende Meinungen, die jegliche Bodenhaftung verloren haben.