Martin Broszat und die Gaskammern im "Altreich"
Noch ein missbrauchter Professor
Wie an verschiedenen Stellen schon mehrfach deutlich wurde, verstecken sich die Leugner des Judenmords gern hinter echten oder vermeintlichen Autoritäten, um ihren Lügen Glaubwürdigkeit zu verleihen.
So auch geschehen mit einer Äußerung, die auf Martin Broszat zurückgeht. Manchmal in wörtlicher Wiedergabe, oft aber nur in indirekter Rede, ziehen die Holocaust-Leugner ein Zitat dieses Historikers heran, aus dem hervorgehen soll, dass es im "Altreich" keine Vergasungen gegeben hätte.
In indirekter Wiedergabe taucht das Zitat beispielsweise in einem Artikel von Robert Faurisson auf, der u.a. vom IHR verbreitet wird (eigene Übersetzung):
Doch am 19. August 1960 musste dieser Historiker seinen erstaunten Landsleuten berichten, dass es im gesamten Altreich niemals Massenvergasungen gegeben hat (deutsche Grenzen von 1937), sondern nur an einer kleinen Anzahl ausgewählter Orte, besonders im besetzten Polen, darunter Auschwitz und Birkenau, aber nicht Majdanek. Diese verblüffende Neuigkeit erfuhr das Wochenmagazin DIE ZEIT aus einem einfachen Leserbrief, der am 19. August 1960 auf Seite 16 veröffentlicht wurde (...) Es wäre hochinteressant zu erfahren:
- Woher weiß Dr. Broszat, dass die "Gaskammern" im Altreich ein Schwindel waren?
- Woher weiß er, dass die "Gaskammern" in Polen echt sind?
- Warum haben die "Beweise", die "Gewissheiten" und die "Augenzeugenberichte", die es zu Konzentrationslagern im Westen gibt, plötzlich keinen Wert mehr, während die "Beweise", "Gewissheiten" und "Augenzeugenberichte" zu den Lagern im kommunistischen polnischen Gebiet nach wie vor wahr bleiben?
Es wird gleich deutlich werden, dass Faurisson die Wahrheit ein wenig strapaziert hat, was sich aber wohl im Rahmen der "revisionistischen Wahrheitssuche" nicht vermeiden lässt. Sehen wir uns zunächst noch die Version an, die ein anderer Auschwitzleugner präsentiert hat:
19.8.1960 DIE ZEIT Seite 16
Weder in Dachau noch in Bergen Belsen noch in Buchenwald sind Juden oder andere Häftlinge vergast worden. Die Gaskammer in Dachau wurde nie ganz fertiggestellt in Betrieb genommen. Hunderttausende von Häftlingen, die in Dachau oder anderen Konzentrationslagern im Altreich umkamen, waren Opfer vor allem der katastrophalen hygienischen und Versorgungszustände. Alleine in den zwölf Monaten vorn Juli 1942 bis Juni 1943 starben laut offizieller Statistik der SS in allen Konzentrationslagern des Reiches 110.812 Personen an Krankheiten und Hunger. Die Massenvernichtung der Juden durch Vergasung begann 1941/1942 und fand ausschließlich an einigen wenigen hierfür ausgewählten und mit Hilfe entsprechender technischer Einrichtungen versehenen Stellen, vor allem im besetzten polnischen Gebiet (aber nirgends im Altreich) statt: in Auschwitz-Birkenau, in Sobibor am Bug, in Treblinka, Chelmno und Belzec.
Dort, aber nicht in Bergen Belsen, Dachau oder Buchenwald wurden jene als Brausebäder oder Desinfektionsräume getarnten Massenvernichtungsanlagen errichtet, von denen in Ihrem Artikel die Rede ist. Diese notwendige Differenzierung ändert gewiß keinen Deut an der verbrecherischen Qualität der Einrichtung der Konzentrationslager. Sie mag aber vielleicht die fatale Verwirrung beseitigen helfen, welche dadurch entsteht, daß manche Unbelehrbare sich einzelner richtiger, aber polemischer aus dem Zusammenhang gerissener Argumente bedienen, und daß zur Entgegnung Leute herbeieilen, die zwar das richtige Gesamturteil besitzen, aber sich auf falsche oder fehlerhafte Informationen stützen."
Nehmen wir der Einfachheit halber an, diese Wiedergabe entspricht dem gedruckten Wortlaut [vgl. Faksimiles]. Was hat Broszat gesagt? Er hat gesagt: Im "Altreich" haben keine Massenvernichtungen von Juden stattgefunden. Dies ist allerdings keineswegs eine erstaunliche neue Erkenntnis, sondern längst bekannt.
Broszat hat damit aber nicht gesagt, dass die Gaskammern im "Altreich" ein "Schwindel" wären und dass dort überhaupt keine Vergasungen stattgefunden hätten. Es gab sehr wohl Gaskammern im "Altreich", die auch benutzt worden sind. Allein im Rahmen der "Euthanasie"-Aktion der Nazis wurden mehr als 100 000 Menschen ermordet, nicht wenige davon in Gaskammern.
Die Anspielung auf Majdanek in Faurissons Text ist schlichtweg lächerlich. Aus der Tatsache, dass ein Historiker einen bestimmten historischen Sachverhalt nicht erwähnt, kann man nicht schließen, es hätte das betreffende historische Ereignis nie gegeben. Diese "Logik" ist dermaßen abstrus, dass sich jede weitere Diskussion erübrigt.
Am Ende des Faurisson-Zitats kann man dann sehen, wie die "revisionistische Wahrheitssuche" in voller Pracht zur Entfaltung kommt. Aus der zutreffenden Darstellung Broszats, dass die Massenvernichtung der Juden im Osten stattgefunden hat, was die Morde in Gaskammern im "Altreich" keineswegs ausschließt, konstruiert Faurisson die Unterstellung, Broszat habe die Gaskammern im "Altreich" pauschal als Schwindel bezeichnet.
Germar Rudolf übernimmt diese Verzerrung und schreibt kurz und bündig:
Interessant ist zunächst die Tatsache, daß das Institut für Zeitgeschichte die Feststellung ihres vormaligen Leiters M. Broszat revidiert, der festgestellt hatte, daß es in den Konzentrationslagern des Altreiches keine Vergasungen gegeben habe.
Diese Art von böswilligem Missverstehen ist typisch für die Leugner des Judenmordes. Fakten haben sie nicht, also fertigen sie sich die "Beweise" an, wie sie gerade gebraucht werden.
Abschließend bleibt noch festzuhalten, dass die Holocaust-Leugner sich ein logisches Problem einhandeln, wenn sie versuchen, die Vergasungen im Altreich ausgerechnet durch ein Zitat in Abrede zu stellen, aus dem klar hervorgeht, dass Massenvergasungen von Juden im Osten stattgefunden haben.