"Euthanasie"

Der Probelauf für den Völkermord

sog. erbkranke Menschen

Reichsärzteführer Wagner erfuhr auf dem Reichsparteitag 1935 von Hitler, es sei im Sinne des Führers, unheilbar Geisteskranke zu "beseitigen".

Bis zum Jahre 1944 war die "Vernichtung lebensunwerten Lebens" durch das Strafgesetzbuch theoretisch untersagt, aber die Wirklichkeit sah anders aus (vgl. etwa Benz, Enzyklopädie, S. 235ff).

Philipp Bouhler
Philipp Bouhler

Durch Propagandamittel wie das oben eingefügte Bild haben die Nazis für entsprechende Akzeptanz in der Bevölkerung gesorgt. Ende 1938 sind in Hitlers Kanzlei verstärkt Gesuche von Eltern eingegangen, man möge ihnen erlauben, ihren Kindern den "Gnadentod" zu gewähren. Diese Anträge wurden von Philipp Bouhler bearbeitet, dem Leiter der Kanzlei des Führers.

Anfangs war diese Möglichkeit noch auf wenige Einzelfälle beschränkt, doch nach und nach wurde der Kreis der betroffenen Personen ausgeweitet:


Der Gedanke sei ihm unerträglich, sagte Hitler, dass ein Kriegsverletzter ohne ein Bett sei, weil dieses Bett ein Geisteskranker belege.

Enzyklopädie, S. 245

Der Kriegsausbruch gab den Nazis den Rahmen und den Vorwand, ihre Maßnahmen zu radikalisieren. Der im Oktober 1939 erlassene Befehl wurde auf den Tag des Überfalls auf Polen am 1.9.1939 zurückdatiert. Dieser "Euthanasie-Befehl" (oder "Gnadentoderlass") ist einer der wenigen schriftlich überlieferten Befehle Hitlers.

Schon Ende 1939 begann mit der Tötung geisteskranker Kinder die "Euthanasie" in großem Maßstab. Zwar wurden, um einen Schein von Legalität zu wahren, "Gutachten" erstellt, doch im Allgemeinen bekamen die Gutachter die Kinder überhaupt nicht zu sehen.

Zur Tötung wurde oft das Medikament Luminal in großen Dosen verabreicht. In der Anstalt Eglfing-Haar ließ man Kleinkinder langsam verhungern. Bald begann die "Euthanasie" an Erwachsenen.
(...)
Benannt war die Aktion nach ihrer Zentrale in Berlin, Tiergartenstraße 4, als "Aktion T4". Die Tötungen fanden in einigen ausgesuchten, abseits gelegenen Anstalten statt, in Bernburg/Anhalt, Brandenburg/Havel, Grafeneck, Hadamar, Hartheim und Sonnenstein bei Pirna/Sachsen.

Enzyklopädie, S. 246

Zunächst wurden die Opfer mit Medikamenten getötet ("abgespritzt"), schließlich auch vergast. Nach einigen "Probevergasungen" wurden Gaskammern eingerichtet, die als Duschräume getarnt waren; die Vergasungen erfolgten mit Kohlenmonoxid. Diese Vergasungsaktionen können als eine Art "Probelauf" für die Judenvernichtung in Auschwitz und in anderen Vernichtungslagern betrachtet werden.

Die Angehörigen der Opfer wurden mit Schreiben informiert, in denen ihnen frei erfundene Todesursachen mitgeteilt wurden. Die Leichen wurden jedoch den Angehörigen nicht überlassen, sondern rasch verbrannt, angeblich wegen Seuchengefahr.

Getötet wurden keineswegs nur Geisteskranke, sondern auch Patienten mit chronischen Krankheiten, vor allem Tuberkulose, Arteriosklerose und Krebs.

Enzyklopädie, S. 246

Allerdings kam es immer wieder zu Pannen.

Manchen Angehörigen wurden zwei Urnen zugesandt, und andere Urnen waren leer oder enthielten nur Stroh. In einem Fall hatte man eine akute Blinddarmvereiterung als Todesursache angegeben, obgleich dem Patienten vor Jahren der Blinddarm entfernt worden war (...)

Die Folge dieser Pannen war, dass die Bevölkerung unruhig wurde. Schließlich wurden auch einige Protestschreiben verschickt, beispielsweise von evangelischen und katholischen Geistlichen, dem Regierungspräsidenten von Minden und von Privatpersonen. Offenbar aus Sorge vor der Stimmung der Bevölkerung ordnete Hitler im August offiziell 1941 den Stopp der "Aktion T4" an, doch sie lief, teilweise unter anderem Namen, insgeheim weiter.

Insgesamt fielen den "Euthanasie"-Aktionen der Nazis etwa 120 000 Menschen zum Opfer.

Hunderttausende von Menschen, die auf Grund der nationalsozialistischen Rassenlehre als schädlich für Volk und Volksgesundheit galten, wurden auch zwangsweise sterilisiert oder mit Röntgenstrahlen kastriert; vgl. Sterilisation/Kastration

Siehe auch:

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