Richard Harwood
Starben wirklich sechs Millionen?
"Richard Harwood" ist ein Pseudonym für Richard Verall, der als Funktionär der britischen Neonazi-Partei BNP in Erscheinung getreten ist. Sein Text Did Six Million Really Die lehnt sich stark an The Myth of the Six Million von David Hoggan an.
Gleich im ersten Kapitel seiner Ausführungen übernimmt Richard Harwood/Verall eine Idee, die man direkt auf den rassistischen Antisemitismus der Nationalsozialisten zurückführen kann:
Die Tatsache, dass Karl Marx ein Jude war, und dass solche Juden wie Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht eine unverhältnismässig bedeutende Rolle in den revolutionären Bewegungen in Deutschland spielten (...)
Karl Marx wurde zwar als Sohn einer Jüdin geboren, jedoch im Alter von etwa sechs Jahren getauft. Er hat sich nie zu dieser Religion bekannt.
Die Behauptung, für wichtige negativ bewertete Ereignisse wären Juden verantwortlich, könnte jeder Nazis sofort unterschreiben.
Im zweiten Absatz des ersten Kapitels fährt Harwood fort:
Bis 1939 war der grösste Teil der deutschen Juden ausgewandert, alle mit einem ansehnlichen Teil ihres Vermögens.
Natürlich belegt Harwood diese Behauptung nicht mit historischen Quellen. Das kann er auch nicht, denn sie entspricht nicht der Wahrheit.
Wie man einer Studie des Außenministeriums entnehmen kann, haben die Nazis sogar ganz im Gegenteil versucht, die Juden möglichst mittellos in aller Herren Länder zu treiben, um dort den Antisemitismus zu verschärfen. Man hielt es für nötig, den Druck auf die Juden zu verstärken, denn:
Im Rückblick auf die vergangenen 5 Jahre seit der Machtergreifung ist jedenfalls festzustellen, daß weder das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums noch die Nürnberger Judengesetze mit ihren Durchführungsvorschriften, die jede Assimilierungstendenz des Judentums unterbanden, wesentlich zur Abwanderung der deutschen Juden beigetragen haben.
Diese Studie wurde Ende Januar 1939 an alle deutschen Vertretungen im Ausland geschickt, um die Diplomaten davon zu unterrichten,
"... daß es sich bei diesen Verfolgungen nicht so sehr darum handle, die Juden loszuwerden, als den Antisemitismus in die westlichen Länder, in denen Juden Zuflucht gefunden haben, zu tragen ... Dabei wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es im deutschen Interesse liege, die Juden als Bettler über die Grenzen zu jagen, denn je ärmer der Einwanderer sei, desto größer die Last für das Gastland."
Unter der Überschrift Juden nannten Auswanderung 'Vernichtung' geht Harwood dann auf das Buch Der gelbe Fleck ein, das 1936 von Lion Feuchtwanger herausgegeben wurde. Es sei, schreibt Harwood, "ein antideutsches Propaganda-Buch", was er folgendermaßen begründet:
Obwohl es nicht auf Wahrheit beruht, wird von den ersten Seiten an die Vernichtung der Juden besprochen und glatt die Auswanderung als "physische Vernichtung" der deutschen Juden dargestellt.
Auch dies entspricht nicht der Wahrheit. Möglicherweise hat Harwood sich gedacht, das Buch sei so alt und so schwierig zu bekommen, dass sich schon niemand sich die Mühe machen werde, seine Behauptung zu überprüfen.
Doch schon auf den ersten Seiten wird deutlich, dass in diesem Buch sehr wohl von der physischen Vernichtung der Juden in Deutschland die Rede ist, freilich nicht durch Mordfabriken im Osten, sondern durch Ausgrenzung und Zerstörung der Lebensgrundlage.
Danach folgen in Harwoods Buch noch zahlreiche weitere Verdrehungen und offensichtliche Unwahrheiten. So greift er er beispielsweise die häufig zitierte Behauptung der Auschwitzleugner auf, die so genannte "Wannsee-Konferenz" habe nicht der organisatorischen Planung des Judenmordes gedient, weil dort nicht von der Vernichtung der Juden die Rede gewesen sei.
Seine Behauptung, in Auschwitz hätte es keine Massenvergasungen gegeben, will Harwood schließlich ausgerechnet mit dem Pamphlet Die Auschwitz-Lüge belegen, das vom Altnazi Thies Christophersen geschrieben und von Manfred Roeder herausgegeben wurde.
Im Abschnitt mit der Überschrift "Das Warschauer Ghetto" stellt Harwood eine weitere unwahre Behauptung auf, die manchem Leser bekannt vorkommen dürfte:
Es wurde schon festgestellt, dass 1931 die jüdische Bevölkerung entsprechend der Volkszählung 2.732.600 Menschen betrug, und dass nach der Auswanderung und Flucht in die Sowjet-Union, nicht mehr als 1.100.000 unter deutscher Kontrolle waren.
In leicht abgewandelter Form hat Norbert Marzahn diese Idee in seinem Text WAL aufgegriffen. Diese Behauptung suggeriert, die polnischen Juden hätten womöglich schon vor Kriegsausbruch das Land verlassen und wären in den Osten geflohen, so dass die Nazis sie nicht ermorden konnten. In WAL nennt Marzahn freilich nicht Harwood als Urheber dieser Behauptungen, doch er kennt und benutzt offensichtlich Harwoods Pamphlet, denn er hat es im Juli 1996 in einem Usenet-Artikel zur Lektüre empfohlen.
Zwei Fakten stehen der oben zitierten Behauptung entgegen. Erstens hat Hans Frank, Hitlers Statthalter in Polen, deutlich gemacht, dass die polnischen Juden bei der Besetzung des Landes durch die Deutschen noch dort waren:
Hier haben wir mit dreieinhalb Millionen Juden begonnen, von ihnen sind nur noch wenige Arbeitskompanien vorhanden, alles andere ist - sagen wir einmal - ausgewandert.
Auch wenn Franks Zahl zu hoch ist, geht aus diesem Zitat doch eindeutig hervor, dass die Juden unter der Regie der Deutschen verschwunden sind, denn sie waren in Ghettos konzentriert (allein in Warschau bis zu 500.000), die sie bei Androhung der Todesstrafe nicht verlassen durften.
Harwood erklärt das Verschwinden der Juden aus dem Ghetto mit der Behauptung, sie wären in Arbeitslager geschafft worden, was immerhin der Tatsache Rechnung trägt, dass Nazis ihre Opfer streng bewacht haben und als Bewacher für den Verbleib ihrer Gefangenen verantwortlich waren. Allerdings "vergisst" Harwood auch hier wieder, seine Behauptung durch Quellen zu belegen.
Auch den Kommandanten von Auschwitz, Rudolf Höß, erwähnt Harwood in Starben wirklich sechs Millionen? Er wiederholt die längst widerlegte Behauptung, Höß wäre gefoltert worden.
Ein weiterer beliebter Trick der Auschwitzleugner, um den Judenmord kleinzureden, sind irreführende Zahlenangaben; auch dafür gibt es in Harwoods Buch einige Beispiele wie etwa den Rechentrick mit den "4 Millionen von Auschwitz".