Wilhelm Stäglich
Der Auschwitz-Mythos
Wilhelm Stäglich war Luftwaffenoffizier und arbeitete nach dem Krieg als Finanzrichter in Hamburg. Wegen seiner fortgesetzten rechtsextremistischen Aktivitäten wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet, das mit seiner vorzeitigen Pensionierung bei befristeter Kürzung der Bezüge endete.
Stäglichs Buch Der Auschwitz-Mythos erschien 1979 beim rechtslastigen Grabert-Verlag. Das Werk ist ein Klassiker der Holocaust-Leugnung. Man findet dort eine ganze Reihe von Verdrehungen und Unwahrheiten, die von späteren Autoren dankbar aufgegriffen wurden.
Ganz vorne im Buch wartet Stäglich, wie er wohl meint, mit einer scheinbar sensationellen Aussage über die Gaskammern auf:
Denn inzwischen hatte sich selbst das Institut für Zeitgeschichte in München -- vermutlich im Hinblick auf die Forschungsergebnisse des französischen Historikers Prof. Paul Rassinier zu folgender Mitteilung veranlaßt gesehen:
"Weder in Dachau noch in Bergen-Belsen noch in Buchenwald sind Juden oder andere Häftlinge vergast worden. Die Gaskammer in Dachau wurde nie ganz fertiggestellt und in Betrieb genommen . . . Die Massenvernichtung der Juden durch Vergasung begann 1941/42 und fand ausschließlich an einigen wenigen hierfür ausgewählten und mit entsprechenden technischen Einrichtungen versehenen Stellen, vor allem im besetzten polnischen Gebiet (aber nirgends im Altreich) statt."
Stäglich bewertet dies als "Rückzug auf der ganzen Linie", was freilich nicht der Wahrheit entspricht. Dass die Massenvergasungen der Juden im Osten stattfanden, ist seit Jahrzehnten bekannt. Dies schließt allerdings die Existenz von Gaskammern im "Altreich" keineswegs aus. Das entstellte Zitat des Historikers Broszat, das Stäglich hier verwendet hat, taucht recht häufig in den Werken der Holocaust-Leugner auf.
Im Übrigen ist dies ein Punkt, an dem man ernstlich an der Intelligenz der Auschwitzleugner zweifeln muss. Als Beweis für ihre Sache bieten sie ausgerechnet ein Zitat an, aus dem unmissverständlich hervorgeht, dass die Massenvernichtung stattgefunden hat.
Zur so genannten Wannsee-Konferenz trägt Stäglich das altbekannte Argument der "Revisionisten" vor, im Protokoll sei von Massenmord nicht die Rede, denn es sei dort um Auswanderung gegangen. Das in diesem Zusammenhang oft auftauchende Wort "Endlösung" erlaube jedenfalls nicht die Annahme, hier sei ein Massenmord geplant worden.
Stäglich wirft schließlich die Frage auf, warum Heydrich sich auf dieser Sitzung nicht klar ausgedrückt habe - gerade so, als müsste man von einer Verbrecherbande, die soeben einen Massenmord organisiert hat, selbstverständlich erwarten können, dass sie dies auch im Klartext niederschreibt.
Seine Kritik bringt Stäglich schließlich folgendermaßen auf den Punkt:
Mit anderen Worten also: Nur Heydrich wußte, was er wollte, sagte es aber nicht. Was sollte dann aber die ganze Konferenz?
Herr Stäglich war offensichtlich über die Quellenlage nicht sehr gut im Bilde. Nicht nur Heydrich, sondern auch alle anderen Anwesenden haben sehr genau gewusst, dass sie auf dieser Besprechung einen Massenmord verabredet haben. Sie haben dies zwar nicht explizit ins Protokoll geschrieben (auch wenn es für sich genommen schon deutlich genug ist), sie haben aber in ihren Unterhaltungen im Anschluss an den offiziellen Teil der Besprechung keinen Zweifel daran gelassen, dass es um den Judenmord ging und dass sie Heydrich genau richtig verstanden hatten.
Ein beliebter Ansatzpunkt der Auschwitzleugner ist auch die Behauptung, die Krematorien vor allem im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau hätten nicht die nötige Kapazität gehabt, um die Opfer der Gaskammern zu verarbeiten. Stäglich schreibt:
Auch über die Verbrennungskapazität der Birkenauer Anlagen gibt es keine zuverlässigen Unterlagen. Zwar wird in der Literatur immer wieder aus einem angeblichen Bericht des Chefs der Zentralbauleitung, SS-Sturmbannführer Bischoff, vom 28. Juni 1943 zitiert, demzufolge die einzelnen Krematorien folgende Verbrennungskapazität pro Tag (!) gehabt haben sollen:
I altes Krematorium (Stammlager) 340 Leichen
II neues Krematorium (Birkenau) 1440 Leichen
III neues Krematorium (Birkenau) 1440 Leichen
IV neues Krematorium (Birkenau) 768 Leichen
V neues Krematorium (Birkenau) 768 Leichen
Zusammen 4756 Leichen
Die Fundstelle für diesen Bericht wird nicht mitgeteilt. Man beruft sich in der Regel insoweit auf ein "Kalendarium von Danuta Czech".
Das ist ein schönes Stück "Revisionismus", denn in Danuta Czechs "Kalendarium" wird auf Seite 533 die Fundstelle für dieses Dokument genannt: SS im Einsatz, S. 269.
Wenn er diese Seite in D. Czechs Buch jemals aufgeschlagen hat, muss Stäglich die Quellenangabe gesehen haben. Sie steht nicht irgendwo versteckt im Text oder in einer Fußnote, sondern unübersehbar hervorgehoben außerhalb des Textblocks auf dem rechten Rand, der für eben solche Angaben reserviert ist.
Es gibt sogar ein Foto des Originaldokuments, doch es ist natürlich nichts Neues, dass die "Revisionisten" das vorhandene Beweismaterial nicht kennen oder nicht zu kennen vorgeben.
Stäglich bedient in seinem Werk auch die Rubrik "böse ausländische Greuelhetze". Er bezieht sich zu diesem Zweck auf ein 1936 in Frankreich von Lion Feuchtwanger herausgegebenes Buch mit dem Titel Der gelbe Fleck:
Im selben Jahr 1936 sprach der Jude Lion Feuchtwanger in seinem in Paris erschienenen Buch "Der gelbe Fleck" jeder Wahrheit zuwider davon, daß 500.000 deutsche Juden von der "Ausrottung bedroht" seien, obwohl zu jener Zeit -- von Übergriffen einzelner Fanatiker abgesehen -- kaum einem Juden ein Haar gekrümmt wurde.
Es ist nicht Feuchtwanger, sondern vielmehr Stäglich, der Behauptungen aufstellt, die "jeder Wahrheit zuwider" laufen. In "Der gelbe Fleck" ist durchaus berechtigt von der physischen Ausrottung der Juden in Deutschland die Rede - freilich nicht durch Mordanstalten in Polen, sondern durch systematische Vernichtung der Lebens- und Existenzgrundlage.
Auch die unwahre Behauptung, der Kommandant von Auschwitz sei durch Folterungen zu seiner Aussage gezwungen worden, taucht auf Seite 176 auf.
Als Beleg für die angeblichen Folterungen benutzt Stäglich die autobiographischen Aufzeichnungen, die Höß in polnischer Gefangenschaft niederschrieb, um im gleichen Atemzug zu behaupten, der Mann sei dort einer Gehirnwäsche unterzogen worden:
Es kann aber überhaupt keinen Zweifel daran geben, daß es diesen geschulten kommunistischen Inquisitoren damals allein darauf ankam, wie in allen im kommunistischen Machtbereich bekanntlich nicht seltenen Schauprozessen im Wege der "Gehirnwäsche" einen geständigen und reuigen Angeklagten zu produzieren, den man möglichst auch noch zur Abgabe eines schriftlichen "Geständnisses" bewegen konnte.
Das ist ein interessanter Gedankengang: Höß sei einer Gehirnwäsche unterzogen worden und habe eine unglaubwürdige Aussage verfasst, die ihm von den Folterern in den Mund gelegt worden sei. Demnach hätten die "kommunistischen Inquisitoren" Höß durch Folterung zu der Aussage gezwungen, dass er gefoltert worden ist.
So dumm, wie Stäglich es hier unterstellt, sind die "kommunistischen Inquisitoren" natürlich nicht gewesen; so dumm sind eigentlich nur "Revisionisten".
Es fragt sich noch, für wen dies peinlicher ist - für Stäglich, der diese Fehlleistung offenbar nicht bemerkt hat, oder für die gläubigen Konsumenten dieser "revisionistischen" Literatur, die so eine Art von "Wahrheitssuche" widerspruchslos schlucken.