Verbrechen unterm Eichenlaub: Die Ritterkreuzträger
Eine feine Gesellschaft
Einige tausend besonders verdiente Kämpfer der nationalsozialistischen Diktatur wurden mit dem Ritterkreuz in verschiedenen Abstufungen dekoriert.
Die Angehörigen der Traditionsverbände, etwa die nach eigenen Angaben als gemeinnützig anerkannte "Ordensgemeinschaft der Ritterkreuzträger des Eisernen Kreuzes e.V. (OdR)", widmen sich "dem Ansehen und der Ehre deutschen Soldatentums, in dessen unwandelbaren Tugenden das Pflichtbewusstsein, die Opferbereitschaft und die Kameradschaft gewahrt sind", wie man es in der Selbstdarstellung der OdR nachlesen kann.
Die Veteranen ziehen sich gern darauf zurück, sie hätten als tapfere Soldaten Deutschland gedient und nur ihre Pflicht getan. So auch ein Ritterkreuzträger in der Sendung "kontraste" am 28.10.2004: "Ich hab dem deutschen Volk gedient, und wer das Volk führt, interessiert mich nicht."
Der Mann hat offenbar völlig verdrängt, dass er seinen Eid nicht auf das Volk, sondern auf Adolf Hitler abgelegt hat.
Anscheinend gibt es bis heute zahlreiche Fans der Ritterkreuzträger, und in einschlägigen Shops werden Devotionalien angeboten.
Die Ritterkreuzträger haben nach dem Krieg versucht, den Anschluss an die Bundeswehr zu finden.
Die Soldaten sind der Bundeswehr aufrecht verbunden. 711 Ritterkreuzträger haben seit deren Gründung im Jahre 956[!] - zum Teil in höchsten Rängen (117 Generale und Admirale) - darin Dienst getan.
Allerdings stößt die Zuneigung nicht mehr auf Gegenliebe. Wie der rbb in "kontraste" berichtete, besteht inzwischen ein Kontaktverbot. Uniformierte Bundeswehrangehörige dürfen nicht an Treffen von Ritterkreuzträgern teilnehmen. Dies hält aktive und ehemalige Bundeswehrangehörige aber offenbar nicht davon ab, die Leistungen der Ritterkreuzträger zu würdigen, wie es Gerd Schultze-Rhonhof, Generalmajor a.D. der Bundeswehr, getan hat:
"Sie, die Träger des Ritterkreuzes, waren nach Leistung, Erfolg und Haltung im Gefecht die Elite der Wehrmacht und der Waffen-SS. Und das Gefühl, dies gewesen zu sein, darf Ihnen kein Neid, keine Schmähung und kein politisch-historischer Vorbehalt nehmen. Ich verneige mich vor Ihrer Lebensleistung."
Die Praxis hat anders ausgesehen, denn nicht wenige Ritterkreuzträger waren an Verbrechen beteiligt oder haben sich nach dem Krieg mit rechtsextremistischen Positionen hervorgetan; einige Beispiele folgen weiter unten.
Distanzierende Worte sind von Seiten der Traditionsverbände nicht zu hören, und es scheint sie auch nicht zu stören, dass eine ganze Reihe von Ritterkreuzträgern, wie zum Beispiel Léon Degrelle, nicht der Wehrmacht, sondern der Waffen-SS angehört haben, die zusammen mit der gesamten SS in Nürnberg als verbrecherische Organisation bezeichnet wurde.
Auf einigen Web-Sites, die Biographien der Ritterkreuzträger anbieten, wird die unrühmliche Vergangenheit einiger Vertreter dieser Gruppe entweder verschwiegen oder beschönigt, oder die übelsten Exemplare dieser Gattung werden mit dem lapidaren Hinweis, die Seiten seien "noch nicht vollständig", gleich ganz unterschlagen.
Hans Ulrich Rudel
Der höchstdekorierte Angehörige der Wehrmacht hat aus seiner nationalsozialistischen Gesinnung keinen Hehl gemacht. Er war in verschiedenen rechtsextremistischen Organisationen aktiv und half Altnazis wie Mengele bei der Flucht. Später stand er in Verbindung mit der DVU, 1976 nahm er an einer Veranstaltung in einer Bundeswehrkaserne teil. Bei seiner Beerdigung salutierten einige Trauergäste mit dem Hitlergruß.
Otto Ernst Remer
Remer war am 20. Juli 1944 maßgeblich an der Niederschlagung des Putsches gegen Hitler beteiligt. Nach dem Krieg betätigte Remer sich in rechtsextremistischen Gruppierungen und nahm an Veranstaltungen von Holocaust-Leugnern teil; er wurde wegen Leugnung des Judenmordes verurteilt. Er unterhielt vielfältige Kontakte zu Rechtsextremisten und Faschisten im Ausland.
Otto Skorzeny
Skorzeny war 1944 zusammen mit Remer an der Ausschaltung der Widerstandsgruppe um Stauffenberg beteiligt. Er diente in der "Leibstandarte Adolf Hitler" und wurde während des Krieges für Sonderaufgaben wie etwa die Befreiung Mussolinis eingesetzt. Auch bei seiner Beerdigung erhoben einige Gäste die Hand zum Hitlergruß.
Hennecke Kardel
Kardel ist dem Strasser-Flügel des Nationalsozialismus zuzurechnen. In seinem Buch "Adolf Hitler - Begründer Israels" betreibt er eine zweistufe Variante der NS-Apologetik. Einerseits werden die Verbrechen des Naziregimes bezweifelt oder in Frage gestellt. Zweitens wird das, was sich beim besten (oder schlechtesten) Willen nicht mehr leugnen lässt, den Juden in die Schuhe geschoben.
Kardel vertritt die Ansicht, Hitler habe die "hehre Idee des Nationalsozialismus" verraten, denn der Diktator sei, genau wie viele andere führende Nazis, selbst Jude und ein von Juden eingeschleustes trojanisches Pferd gewesen und habe den Auftrag gehabt, Deutschland ins Verderben zu stürzen. Indem Kardel Hitler und seine wichtigsten Helfer als Juden etikettiert, versucht er, Deutschland und vor allem den Nationalsozialismus von allen Vorwürfen zu entlasten.
Alfred Jodl
Jodl wurde neben dem Ritterkreuz auch mit dem Goldenen Parteiabzeichen der NSDAP ausgezeichnet. Er war in Hitlers Stab für zahlreiche militärische Unternehmungen verantwortlich und sorgte für die Umsetzung der "Führerbefehle" und die Weiterleitung an die kämpfende Truppe. In dieser Funktion war er unmittelbar an der verbrecherischen Kriegsführung des Hitler-Regimes beteiligt und muss auch über die Judenvernichtung informiert gewesen sein, die in enger Abstimmung mit der kämpfenden Truppe geschah, doch obwohl er Hitler treu ergeben war, hat er seine persönliche Mitverantwortung für die Verbrechen des Hitler-Regimes stets bestritten.
Am 7. Mai 1945 unterschrieb Jodl die deutsche Kapitulationskurkunde. Er wurde in Nürnberg verurteilt und hingerichtet, aber 1953 postum von einem deutschen Gericht freigesprochen, weil er sich auf rein operative Fragen beschränkt habe.
Wilhelm Keitel
Auch Keitel war Hitler treu ergeben, und wie Jodl erhielt er das Goldene Parteiabzeichen der NSDAP. Er verteidigte den verbrecherischen Kommissarbefehl mit der Behauptung, Rücksicht sei ein Verbrechen am deutschen Volk. Keitel wurde in Nürnberg verurteilt und hingerichtet.
Leon Degrelle
Der in Belgien geborene Hitler-Anhänger Degrelle trat in die "Wallonische Legion" ein, die anfangs der Wehrmacht unterstellt war und schließlich als 28. SS-Freiwilligen-Grenadier-Division "Wallonien" in Russland auf Hitlers Seite kämpfte. Motiviert war er offenbar von der "harten, reinen und revolutionären" Idee des Nationalsozialismus (vgl. Boog u.a., Der Angriff auf die Sowjetunion).
Nach 1945 unterhielt er Kontakte zu Rechtsextremisten und war dem Umfeld von Otto Skorzeny zuzurechnen. Die Barnes Review, die sich unter anderem der Leugnung des Holocaust widmet, bezeichnet ihn als "Kämpfer für den Westen".
In seinem Text The Enigma of Hitler (dt. Das Rätsel Hitler) schreibt Degrelle:
After 1945 Hitler was accused of every cruelty, but it was not in his nature to be cruel. He loved children (...) He could not bear to eat meat, because it meant the death of a living creature. He refused to have so much as a rabbit or a trout sacrificed to provide his food.
[Nach 1945 wurden Hitler alle möglichen Grausamkeiten vorgeworfen, doch es lag nicht in seiner Natur, grausam zu sein. Er liebte Kinder (...) Er konnte es nicht ertragen, Fleisch zu essen, weil dies bedeutete, ein lebendes Wesen zu töten. Er wollte nicht einmal ein Kaninchen oder eine Forelle opfern lassen, damit er etwas zu essen bekam.]
Die Opfer der Judenvernichtung, über die Degrelle kein Wort verliert, haben Hitler vermutlich nicht ganz so verklärt gesehen wie Degrelle. Degrelle hat lange genug gelebt, um zumindest nachträglich von der Judenvernichtung erfahren zu haben. Wenn er Hitler trotzdem in den höchsten Tönen lobt, ist ihm entweder die Judenvernichtung gleichgültig, oder er hält sie nicht für eine historische Tatsache. Seine Nähe zu Holocaust-Leugnern legt die zweite Vermutung nahe.
Walter von Reichenau
Von Reichenau, der als "politischer General" bezeichnet wird, setzte sich für die Einbindung des Militärs in das NS-Regime ein. Die von ihm befehligten Wehrmachtteile waren am Überfall auf Polen beteiligt. Im Feldzug gegen Frankreich führte er die 6. Armee. Zusammen mit von Rundstedt war er am Angriff auf das neutrale Belgien und die ebenfalls neutralen Niederlande beteiligt. Im Rahmen dieses Angriffs kam es auch zur verheerenden Bombardierung von Rotterdam. Im Krieg gegen die Sowjetunion erließ von Reichenau den so genannten "Reichenau-Befehl" über das "Verhalten der Truppe im Ostraum", in dem von der "gerechten Sühne am jüdischen Untermenschentum" die Rede ist.
Gerd von Rundstedt
Wie von Reichenau war auch von Rundstedt als Befehlshaber am Überfall auf Polen beteiligt. Als Oberbefehlshaber der Heeresgruppe A führte er seine Truppen beim Frankreichfeldzug bis an die Kanalküste. Später befehligte er in der Ukraine die deutschen Truppen beim Überfall auf die Sowjetunion. Mit dem so genannten "Reichenau-Befehl" war er ausdrücklich einverstanden. 1942 ließ Rundstedt entgegen geltendem Kriegsrecht alliierte Gefangene an die Gestapo ausliefern.
Heinz Bernard Lammerding
Der Befehlshaber der SS-Division "Das Reich" war nach der Landung der Alliierten für mehrere Kriegsverbrechen verantwortlich. Seine Soldaten erhängten am 9. Juni 1944 in Tulle 99 Geiseln, am nächsten Tag verübten seine Truppen das Massaker von Oradour-sur-Glane, bei dem über 600 Zivilisten ermordet wurden.