Hennecke Kardel
Adolf Hitler - Begründer Israels
Eine besonders perfide zweistufige Variante der NS-Apologetik betreibt Hennecke Kardel in seinem Buch Adolf Hitler - Begründer Israels. Der erste Schritt besteht darin, die Schuld an buchstäblich allem und jedem irgendwelchen jüdischen Drahtziehern in die Schuhe zu schieben. Was danach noch übrig bleibt, wird unterschlagen oder wegdiskutiert.
In dieses Strickmuster gehört Kardels auf den ersten Blick recht verblüffende Behauptung, die führenden Nazis und überhaupt alle, die er mit irgendwelchen Missetaten in Verbindung bringt, wären Juden gewesen.
Möglicherweise glaubt Kardel, er könne sich durch diesen Trick vor Kritik schützen. Wirft man ihm vor, er leugnete die Naziverbrechen, dann kann er antworten: Aber nein, ich spreche doch an einigen Stellen ganz klar von der Verfolgung der Juden in Deutschland. Wirft man ihm vor, er wolle Hitlers Regime schönreden, kann er mit der Gegenfrage kontern, welcher echte Nazi denn wohl Hitler und seine wichtigsten Helfer als Juden bezeichnen würde, wie er es ständig tut.
Auf den ersten Blick scheint dies bestechend, auf den zweiten Blick ist es ein leicht durchschaubares und nicht sonderlich intelligentes Manöver, das freilich andere Schreiber dankbar aufgegriffen und weiterentwickelt haben. In N. Marzahns Online-Text WAL kommt als zusätzliche Windung noch hinzu, dass der Autor die Juden als "Leviten" bezeichnet und immer wieder betont, er wolle ja gar nicht DIE Juden, sondern nur einige wenige "levitische" Drahtzieher angreifen - was ihn aber nicht davon abhält, nach Kardels Vorbild allen möglichen Leuten, die er als Schurken beschreibt, jüdische (und eben nicht "levitische") Vorfahren zu unterstellen. Unverkennbar sind bei dieser Art von Ahnenforschung die Anklänge an die Rassenlehre der Nazis.
Dass es dem Strasserianer Kardel in der Tat darum geht, den Nationalsozialismus reinzuwaschen, wird allerdings gleich zu Anfang seines Buches deutlich:
Hier bestehen keine Bedenken gegen die Feststellung, dass Hitler keineswegs ein Nationalsozialist gewesen ist, sondern diese in den Gräben des ersten Weltkrieges geborene hehre Idee verraten und mithilfe der ihm angeborenen Rabulistik seinem Verwandtenhass und seinem Judenkomplex gefügig gemacht hat.
Seine Ideen über diese Zusammenhänge hat Kardel in einem weiteren Werk mit dem Titel Hitlers Verrat am Nationalsozialismus dargelegt.
Juden, überall Juden
Kardel ist von der Vorstellung, überall an den Schaltstellen der Macht stoße man auf Juden und Menschen mit jüdische Vorfahren, auf eine Art und Weise besessen, die man nur als paranoid bezeichnen kann. In vielen Fällen sind die "Beweise" freilich seiner eigenen überschäumenden Phantasie entsprungen. Hier einige Beispiele:
- Wichtige Gehilfen Hitlers seien "der überwiegend jüdische Reinhard Heydrich (...) und der volljüdische Adolf Eichmann ..." gewesen. (S. 6)
- "Adolf Hitler, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Enkel des Juden Frankenberger"
- "Bei der Vernichtung jüdischen Lebens - und Vernichtungen haben stattgefunden - ist es schwer, Erfüllungsgehilfen zu finden, die nicht jüdischer Abstammung waren. Die drei Statthalter im Osten jedenfalls waren sämtlich teiljüdisch, wenn nicht überwiegend jüdisch: Heydrich, Frank und Rosenberg." (S. 16)
- In einem Abschnitt, den Kardel aus Bevor Hitler kam von Dietrich Bronder übernimmt, werden außerdem u.a. Hess, Göring, Strasser, Goebbels, Himmler, Ribbentrop, Globocznik, Jordan, Kube, Bach-Zelewski, Hanffstaengel und Haushofer als Juden bezeichnet bzw. mit angeblich jüdischen Verwandten in Verbindung gebracht (S. 17). Bei den meisten der Genannten verzichten Bronder/Kardel gleich ganz und gar auf Belege; und wo sie überhaupt "Beweise" anbieten, sind diese mehr als fragwürdig.
- Auf S. 30f berichtet Kardel z.T. in wörtlicher Rede, als hätte er einen Augenzeugen befragt, über eine Begegnung zwischen Hitler und seinem angeblich jüdischen Großvater Frankenberger. Für diese sicherlich nicht ganz unwichtige Begegnung konnte bisher kein weiterer Beleg gefunden werden, und so muss man Kardel wohl vorwerfen, dass er diese Begegnung genauso erfunden hat wie ein vertrauliches Gespräch zwischen Hitler und seiner Mutter über eben diesen angeblichen jüdischen Großvater.
- Auf Seite 41 ist der "unehelich geborene Halbbruder Alois" abgebildet, "dessen Augen-, Nasen- und Mundpartien auf den gemeinsamen Grossvater Frankenberger hinweisen". Die nationalsozialistische Rassenlehre lässt grüßen.
- Lanz von Liebenfels, durch den Hitler "zum richtigen Antisemiten" (S. 37) geworden wäre, sei der "Sohn der Jüdin Hopfenreich" gewesen.
- Ein jüdischer Leutnant habe Hitler das Eiserne Kreuz verliehen. (S. 57)
- "Nationalsozialisten und Nationalzionisten, vereinigt euch!" (S. 80) Die Ansiedlung der Juden in Palästinä sei ein Wunsch gewesen, der Hitler und die Zionisten verbunden hätte; sie hätten harmonisch zusammengearbeitet.
- Kardel beschreibt Streichers "Stürmer" als übles Hetzblatt und fügt sofort hinzu: "... der Zeichner des 'Stürmer' war der Jude Jonas Wolk alias Fritz Brandt." (S. 89). Kardel nennt auch hier, wie so häufig, keine Quelle für diese Behauptung. Er hat sie übernommen aus D. Bronder, Bevor Hitler kam (dort S. 244), der seinerseits ebenfalls auf jegliche Quellenangabe verzichtet.
- Hitler sei von "Westjuden New Yorks" (S. 111) finanziert und unterstützt worden. Als Beleg nennt Kardel den gefälschten Warburg-Bericht, den er unter dem Pseudonym Jean Ledraque in "Springers Nazionismus" in Sondereggers antisemitischer Version auch selbst verbreitet.
- Auf S. 140 liest man den Hinweis, Trotzki sei Jude gewesen, auf S. 206 genau das Gleiche für den spanischen Diktator Franco, der ebenfalls Jude gewesen und wie Hitler von Juden finanziert worden sei, auf S. 218 erwähnt Kardel Roosevelt und die "ihn umgebenden Juden".
Die Reihe ließe sich beliebig fortsetzen. Kaum eine Seite in Kardels Buch, auf der nicht das Wort "Jude" in negativem Kontext vorkommt.
Um das Maß vollzumachen, erwähnt Kardel auch die so genannten "jüdischen Kriegserklärungen" (S. 139) - ein beliebtes Argumentationsmuster der Rechtsextremisten, das dem Leser suggerieren soll, die Nazis hätten sich mit Recht gegen das vermeintlich abgrundtief böse, aggressive Judentum gewehrt und ihre Verbrechen - soweit sie nicht sowieso geleugnet werden - würden daher in gewisser Weise verständlich.
Relativierung und Leugnung der Verbrechen
Schließlich (ab S. 238) bezeichnet Kardel die bisherigen Erkenntnisse der Historiker zum Judenmord als "Schätzungen" und beruft sich auf einen amerikanischen (natürlich jüdischen) Statistiker, der die Zahl von sechs Millionen ermordeten Juden als Lüge bezeichnet hätte. Beides - die Diffamierung abgesicherter historischer Erkenntnisse als "Schätzung" und die Behauptung, diese Zahlen seien eine "Lüge" - taucht auch in in den Texten des Usenet-Aktivisten und Holocaust-Leugners N. Marzahn auf.
Wie unehrlich - oder auch unlogisch und unwissend - Kardels Argumentation ist, erkennt man, wenn man seine Angaben zur "Wannsee-Konferenz" liest. Es habe in Russland schon seit Monaten Tötungen von Juden durch Heydrichs "Einsatzgruppen" gegeben, und man könne Eichmanns Aussage im Jerusalem-Prozess nicht unbedingt trauen, doch "über diese Erfahrungen sei am Kaminfeuer der Wannsee-Villa kaum gesprochen worden" (S. 237).
Zwei Seiten vorher schreibt er über die Wannsee-Konferenz:
[Heydrich] bezeichnete es als das Ziel, "auf legale Weise den deutschen Lebensraum von Juden zu säubern". Von Vernichtung sprach Heydrich an diesem Tage nicht.
Allerdings hat Eichmann in Jerusalem etwas ganz anderes zu diesem Thema gesagt. Wie ein Auszug aus Eichmanns Vernehmung zeigt, ließ er keinen Zweifel daran, dass auf der Wannsee-Konferenz sehr wohl "von Töten und Eliminieren und Vernichten gesprochen" wurde.
Nachdem Kardel auf diese Weise die Verbrechen der Nazis entweder wegdiskutiert oder den Juden in die Schuhe geschoben hat, fehlt nur noch das Märchen von der sauberen Wehrmacht, um jeden Rechtsextremisten glücklich zu machen.
Der deutsche Soldat, schreibt Kardel auf S. 224, hing der Irrlehre vom "Untermenschen" wenig an,
... und den so genannten Kommissar-Befehl, das heisst den Befehl zur Erschiessung zumeist jüdischer Kommissare auf dem Schlachtfeld, hat er nie ausgeführt.
Und ein paar Seiten später gleich noch einmal:
Die kämpfende deutsche Truppe, die selbst den Kommissar-Befehl niemals ausgeführt hat, ahnte mehr als dass sie wusste von dem was in ihrem Rücken geschah.
Dieser Versuch, die Wehrmacht zu entlasten, ist verständlich, denn sie repräsentiert für Kardel offenbar den "sauberen" und vor allem "judenreinen" Aspekt des Nationalsozialismus.
Dass Kardels Behauptungen über den Kommissarbefehl und die Beteiligung der Wehrmacht am Völkermord - vorsichtig ausgedrückt - die Wahrheit ein wenig strapazieren, bedarf keiner weiteren Erörterung; siehe dazu etwa auch einen Befehl der Offiziere v. Rundstedt und Reichenau, in dem sogar explizit von der "Sühne am jüdischen Untermenschentum" die Rede ist.
Geradezu höhnisch wird Kardel, wenn er das letzte Kapitel seines Buches mit "Die Endlösung: Israel" betitelt.
Die "Endlösung" war nicht etwa die jüdische Auswanderung nach Palästina, wie Kardel und viele andere Nazi-Apologeten uns einreden möchten, sondern der Massenmord an etwa sechs Millionen Juden in Vernichtungslagern, mit Gaswagen und durch Erschießungskommandos.
Kardel wird u.a. erwähnt bei:
- Detlev Winter, Imperialismus und Weltherrschaft
- Wolfgang Eggert, Israels Geheimvatikan (alle drei Bände)
- Dieter Rüggeberg, Wer half Hitler?
- Udo Walendy, Historische Tatsachen
- Bernd Höfelbernd, Die andere Welt
- Horst Mahler, Die verbotene Wahrheit
- Ostara Pressedienst v. 18.8.99 (rechtsextremistische Web-Site)
- Willie Martin, 1001 Quotes About Jews
- Serge Thion, Bibliographie revisionistischer Literatur, Verlag der Freunde, 1984
- Kardels Buch Hitlers Verrat am Nationalsozialismus wird vom Pressedienst PHI beworben.
- N. Marzahn, WAL und diverse Texte im Usenet, teilweise ohne Angabe der Quelle