Hans-Georg Maaßen
Schmusekurs mit Antisemiten und Holocaustleugnern
Nein, der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen ist meines Wissens kein Holocaustleugner.
Maaßen ist Mitglied der Werte-Union, er entwickelte Sympathien für die AfD und trat auch schon mal zusammen mit dem Degussa-Manager und Demokratiefeind Markus Krall auf, der das allgemeine Wahlrecht abschaffen möchte.[1]
Gelegentlich malte er auf Twitter das Schreckgespenst einer linken oder islamistischen Unterwanderung an die Wand[2], während rechtsextremistische Straftaten bei ihm überhaupt nicht vorkamen.
Seine Schieflage war bereits bekannt, als er noch im Amt war. So schrieb etwa der Spiegel:
Unter seinen Kollegen in den Landesämtern für Verfassungsschutz ist Maaßen umstritten. Der SPIEGEL berichtet in seiner neuesten Ausgabe, in den Ländern gebe es beim Umgang des Bundesamts mit der "Identitären Bewegung" Unmut über den Behördenchef. Maaßens Haus habe man "zum Jagen tragen müssen", sagte damals der Chef eines Landesamts.
Dies alles ist schon zweifelhaft genug, doch nun hat Maaßen offenbar den nächsten Schritt getan und auf Twitter einen Beitrag der Website The Unz Review zustimmend verlinkt:
Philip Giraldi, der Autor, dessen Beitrag Maaßen seinen Lesern empfahl, verfasste zahlreiche antisemitische Texte, und auch der von Maaßen verlinkte Beitrag enthielt einen antisemitischen Angriff auf eine Journalistin.
Wie die ADL bereits 2018 meldete, ist der Besitzer und Betreiber Ron Unz ein Antisemit und ein Holocaustleugner und verbreitete sogar die Ritualmordlegende.[3]
Für diese Website arbeitet unter anderem der Holocaustleugner Nicholas (Nick) Kollerstrom, Autor des Buchs Breaking The Spell. Der Bann, den Kollerstrom brechen will, ist das, was er "Holo-Religion" nennt. Das Buch erschien in dem von Germar Rudolf gegründeten Verlag Castle Hill, der die Bücher verschiedener Holocaustleugner vertreibt.
Der Redaktion von unz.com ist durchaus bekannt, wer Kollerstrom ist, denn sie schreiben über sein Buch, er habe eine "umstrittene Analyse des Holocaust" vorgelegt. Ein Artikel Kollerstroms vom 25. Januar 2021 trägt den Titel "Es gibt keine Pandemie".
Kollerstrom ist kein Einzelfall. In einem anderen Beitrag heißt es:
The Holocaust Cult in Britain does not exist to combat evil or defend the vulnerable, but to safeguard and extend Jewish power. It does this by insisting on a series of lies and by suppressing historical facts that contradict those lies.
(...)
It is not true that minorities are always victims and that majorities are always victimizers. But the Holocaust Cult can’t admit this glaring historical fact, because the Holocaust Cult is a vehicle for the interests of Jews—the very same minority that supplied so many commissars, executioners and torturers to communist parties in Eastern Europe. And Jews believe that it is in their interests to flood Western nations with Muslims ...
[Der Holocaust-Kult in Großbritannien existiert nicht, um das Böse zu bekämpfen oder die Verletzlichen zu beschützen, sondern um die jüdische Macht zu sichern und zu erweitern. Dies geschieht durch das Bestehen auf einer Reihe von Lügen und durch Unterdrüchung historischer Fakten, die diesen Lügen widersprechen.
(...)
Es ist nicht wahr, dass Minderheiten immer die Opfer und Mehrheiten immer die Täter sind. Doch der Holocaust-Kult kann diese offensichtliche historische Tatsache nicht einräumen, weil der Holocaust-Kult ein Vehikel für die Interessen der Juden ist - genau jener Minderheit, die den kommunistischen Parteien Osteuropas so viele Kommissare, Scharfrichter und Folterknechte geliefert hat. Und die Juden glauben, es sei in ihrem Interesse, westliche Nationen mit Muslimen zu überschwemmen ...]
Abgerundet wird das Angebot von unz.com durch Überschriften und Beiträge mit offen antisemitischen Aussagen:
- "Vampire gegen Kreuze: Warum Juden und Linke weiße Männer, das Christentum und die westliche Zivilisation hassen." - Juden als Vampire - hier scheint das Bild der Nazis vom "jüdischen Blutsauger" auf.
- "Hasserfüllte Hindu: Priti Patel ist eine Speichelleckerin der Juden und psychopathisch gegenüber Weißen."
- "Zionisten lügen so selbstverständlich, wie sie atmen."
- "Eine weitere Zionistin gesellt sich zu Bidens Team."
Als ehemaliger Verfassungsschützer muss Hans-Georg Maaßen wissen, dass Holocaustleugner mit Lügen und Fälschungen arbeiten. Einer Publikation, die Falschspieler und Antisemiten als Autoren beschäftigt, kann man prinzipiell nicht trauen. Hans-Georg Maaßen verlinkt einen Beitrag ohne jede Distanzierung und offenbar vertrauensvoll.
Wenn ein ehemaliger Verfassungsschützer eines können muss, dann dies: Kontext erkennen.
Dies ist nun der Kontext, in den Hans-Georg Maaßen sich selbst begibt, indem er unkritisch Artikel von unz.com empfiehlt.
Nein, Hans-Georg Maaßen ist meines Wissens kein Antisemit und kein Holocaustleugner. Er hat allerdings mit solchen Leuten offenbar keinerlei Berührungsängste und macht sie dank seiner Reichweite gesellschaftsfähig.
Nachtrag 4. April 2021
Hans-Georg Maaßen hat den betreffenden Tweet gelöscht. Wenn diese Entscheidung auf echter Einsicht beruht, wäre dies erfreulich und begrüßenswert.
Nachtrag 21. Mai 2021
In einem von der NZZ veröffentlichten Interview äußerte sich Maaßen zu dem Text auf Ron Unz' Website, den er in seinem Tweet verlinkt hatte. Er sagte:
Ich schaue mir aus Prinzip an, was einer sagt, und setze mich damit auseinander. Mich interessiert nicht, wer jemand ist oder wen einer kennt. Für mich zählen die Argumente, nicht die Person. Auch der übelste Mensch kann gute Argumente haben.
Das klingt, als ginge Maaßen mit seinen Quellen so gewissenhaft um, wie man es von einem ehemaligen VS-Chef erwarten kann. Ein Zitat von Maaßen aus dem Jahr 2019 wies in die gleiche Richtung, weckte aber schon damals Zweifel:
Was Maaßen der NZZ weiter sagte, bestärkt den Verdacht, dass er nicht immer so gründlich nachdenkt, wie er behauptet:
Als ob ich fortlaufend rechtsextreme oder rechtspopulistische Tweets verbreiten würde. Das ist falsch. Bei dem amerikanischen Tweet war ich überzeugt, dass er inhaltlich richtig ist, und habe ihn deshalb retweetet. Ich habe ihn dann, ich glaube, noch am gleichen Tag, wieder gelöscht, als mir klar wurde, wer der Urheber ist.
Nur zur Erinnerung: In dem Text, den Maaßen da für "inhaltlich richtig" hielt, bezeichnet der Autor eine Journalistin als "zionistische Harpyie".
Was Maaßen sagt, ist auch sachlich nicht ganz richtig. Wie man dem Screenshot des Tweets weiter oben entnehmen kann, hat Maaßen nicht auf einen anderen Tweet, sondern vielmehr direkt auf die Website unz.com verwiesen und damit seine zahlreichen Twitter-Follower ohne Vorwarnung zu einem Holocaustleugner geschickt.
Auch der Zeitablauf war meiner Erinnerung nach anders. Ich habe diesen Text am 9. Februar 2021 veröffentlicht, also an dem Tag, an dem Maaßens Tweet erschien. Danach ist erst einmal nicht viel passiert, weil mein Twitter-Account relativ neu war und nicht viele Follower hatte.
Am 8. März 2021 habe ich meinen Artikel noch einmal bei Twitter verlinkt. Am 30. März 2021 habe ich abermals auf den hier besprochenen Sachverhalt hingewiesen. Am 3. April 2021 habe ich ein weiteres Mal den Link bei Twitter veröffentlicht, am 4. April 2021 auf Nachfrage erneut. Dieser letzte Tweet hatte die höchste Reichweite.
Da ich kein Bedürfnis verspüre, mich durch nicht belegte Behauptungen unglaubwürdig zu machen, habe ich bei jeder wiederholten Veröffentlichung auf Twitter überprüft, ob Maaßens Tweet noch online war. Meiner Erinnerung nach wurde der Tweet erst nach dem 8. März gelöscht, was ich dann auch sofort dokumentiert habe, sobald ich es bemerkt hatte (siehe oben).
Im Übrigen geht es hier nicht um moralische Bewertungen, wie Maaßen in dem Text der NZZ anzudeuten scheint. Es geht nicht darum, dass auch "der übelste Mensch" recht haben kann.
Wir reden über Holocaustleugner, und die sind prinzipiell unglaubwürdig - aber nicht, weil sie eine unliebsame Meinung vertreten, sondern weil sie ein Problem mit der Realität haben. Wer sich zustimmend auf die Website eines Holocaustleugners bezieht, holt sich einen Lügner und Falschspieler ins Boot.
Umgekehrt will ich an dieser Stelle auch Maaßen nicht moralisch bewerten; es scheint sich aber herauszuschälen, dass er gegenüber den Publikationen von Holocaustleugnern und Antisemiten nicht immer die Sorgfalt walten lässt, die er für sich in Anspruch nimmt.