Der Leuchter-Report
Geschichtsfälschung auf Bestellung
Fred Leuchter ist ein selbsternannter Gaskammerexperte aus Boston. Er wurde 1988 in einem Prozeß gegen Ernst Zündel als Zeuge berufen, um zu Zündels Verteidigung auszusagen. Mit seiner Hilfe sollte wissenschaftlich nachgewiesen werden, dass die Gaskammern von Auschwitz und anderen Konzentrationslagern nicht zur industriellen Vernichtung von Millionen von Menschen geeignet gewesen wären (vgl. Lipstadt, Leugnen des Holocaust, S. 197).
Um seine Aussage als "Ingenieur" und "Spezialist für Hinrichtungsanlagen" vorzubereiten, fuhr Leuchter in Begleitung seiner Frau, eines Kameramanns, eines Bauzeichners und des Dolmetschers Tjudar Rudolph nach Polen. Zündel hat für die einwöchige Reise Leuchters ungefähr 35.000 Dollar an Reisekosten bezahlt (Lipstadt, S. 198). Leuchter kam wunschgemäß zu dem Ergebnis, dass die Anlagen in Auschwitz nicht zur massenhaften Vernichtung von Menschen gedient haben könnten. Er fasste seine "Erkenntnisse" im sogenannten "Leuchter-Report" zusammen, den der ehemalige NPD-Vorsitzende Günter Deckert ins Deutsche übersetzt hat.
Leuchters Auftritt in der Verhandlung gegen Zündel gilt unter Holocaust-Leugnern als "historisches Ereignis" (Lipstadt, S. 199). Tatsächlich war es ein Fiasko.
Im Zeugenstand wurde Leuchter als "Experte" bloßgestellt, dessen technische Ausbildung mehr als unzulänglich war; er hatte gar nicht fundiert zu derlei Ergebnissen kommen können. Der Richter verspottete einzelne Schritte seines analytischen Vorgehens als "grobe Spekulationen".
Diese Ansicht des Richters wurde erhärtet, als der Staatsanwalt Leuchter nach seiner Ausbildung in verschiedenen naturwissenschaftlichen Fächern befragte, namentlich Chemie, Physik und Toxikologie. Eigentlich wären fundierte Kenntnisse auf diesen Gebieten eine wesentliche Voraussetzung, um über die Geschehnisse in Auschwitz die Aussagen zu machen, die Leuchter in seinem "Gutachten" niedergeschrieben hatte. Leuchter musste jedoch zugeben, dass seine Chemiekenntnisse sich auf dem "Niveau eines College-Studenten" bewegten. (Lipstadt, S. 200). Er hatte zwei Seminare Physik absolviert,
und zwar im Zuge eines geistes-, nicht eines
naturwissenschaftlichen Studiums (...)
Er gestand ein, weder Toxikologe noch Ingenieur zu sein.
Leuchter wandte ein, solche Kenntnisse seien auch nicht notwendig. Der Richter war anderer Ansicht.
DAS GERICHT: Wie können Sie als Ingenieur arbeiten und auftreten, wenn Sie keinen Abschluß als Ingenieur haben?
DER ZEUGE: Euer Ehren, ich würde gerne hinterfragen, was ein Ingenieurabschluß ist. Ich habe einen Bachelor of Arts und die erforderliche Grundausbildung sowohl vom College als auch von der Praxis her, um als Ingenieur arbeiten zu können.
DAS GERICHT: Wer befindet darüber? Sie?
[Bachelor of Arts = etwa Magister der Geisteswissenschaften]
Es kam noch schlimmer. Leuchter hat sich in dieser Verhandlung - was der Richter zu diesem Zeitpunkt aber nicht nachprüfen konnte - der wissentlichen Falschaussage schuldig gemacht. Leuchter hat erklärt, er habe die Ausbildung zum Ingenieur nur deshalb nicht machen können, weil die Universität von Boston, als er dort immatrikuliert war, die Ausbildung zum diplomierten Ingenieur nicht angeboten hätte. Das war gelogen. Es gab zur fraglichen Zeit sogar drei solcher Studiengänge. (Lipstadt, S. 200)
Im Fach Geschichte war Leuchter, wie der Richter während der Befragung herausfand, ebenfalls nicht besonders beschlagen. "Es sei eine Unverschämtheit zu behaupten, daß er mehr als nur flüchtig Bescheid wisse, verkündete der Richter." (Lipstadt, S. 203)
Auch in anderer Hinsicht hat Leuchter nicht die Wahrheit gesagt. Er hat zum Beispiel behauptet, vom Direktor der Gedenkstätte in Auschwitz Unterlagen bekommen zu haben, was dieser jedoch entschieden bestritt.
Ein wesentlicher Punkt, auf dem Leuchters Glaubwürdigkeit beruhen sollte, war seine angebliche Zusammenarbeit mit amerikanischen Behörden und seine angebliche Erfahrung als Experte für Hinrichtungsanlagen. Es stellte sich jedoch heraus, dass Leuchter auch zu diesem Punkt falsche Auskünfte gegeben hatte. Abgesehen vom Staat Missouri hat er in keinerlei geschäftlichen Beziehungen zu irgendwelchen amerikanischen Behörden gestanden. Auch in Missouri ist Leuchters Ingenieurbüro über das Anfertigen von Planzeichnungen für die Renovierung der Gaskammer nicht hinausgekommen (Lipstadt, S. 208). Fred Leuchter war den Behörden jedoch durchaus bekannt, wenn auch auf eine eher unrühmliche Art und Weise:
Am 20. Juli 1990 sandte Ed Carnes, stellvertretender Generalstaatsanwalt von Alabama, eine Notiz an alle Bundesstaaten, welche die Todesstrafe praktizierten, in der er Leuchters Hintergrund und Seriosität in Frage stellte. Carnes konstatierte, Leuchter hege nicht nur "unorthodoxe" Ansichten über Gaskammern, sondern habe zu allem eine hinterhältige Methode entwickelt, um sich in staatliche Belange einzumischen, sofern es die Todesstrafe betraf.
Leuchter hat sich den Anwälten von Todeskandidaten als Gutachter angeboten und erklärt, die jeweils vorgesehene Hinrichtungsmethode funktioniere nicht ordentlich und sei deshalb nicht zulässig. Er teilte in einem Zeitraum von weniger als dreißig Tagen drei US-Bundesstaaten mit, dass deren elektrische Stühle unzuverlässig seien. Seinen Urteilen hat Leuchter allerdings falsche Voraussetzungen und Mutmaßungen zu Grunde gelegt. In Virginia wurde Leuchters Gutachten, dass der elektrische Stuhl nicht funktionieren würde, vom Gericht zurückgewiesen. Leuchter sei nicht glaubwürdig, weil seine Firma
"(...) bei der Auftragsvergabe abgelehnt worden war, als es nämlich darum ging, die Elektroden des staatseigenen elektrischen Stuhls zu ersetzen."
Leuchter hat offensichtlich, wie Ed Carnes es formulierte, versucht, "aus beiden Seiten der Medaille Kapital" zu schlagen. (Lipstadt, S. 207).
Schließlich sah sich Fred Leuchter auch noch gezwungen, auf den Titel eines Ingenieurs, den er unberechtigt geführt hatte, zu verzichten.
Im April 1990 reichten Shelly Z. Shapiro, der Leiter des Vereins "Holocaust Survivors and Friends in Pursuit of Justice" und Beate Klarsfeld gemeinsam einen Beschwerdebrief beim Massachusetts Board of Registration of Engineers in Boston ein; Thema des Schreibens war Leuchters ungerechtfertigter Anspruch auf den Ingenieurtitel und sein Mißbrauch des Titels, um "die Allgemeinheit zu täuschen", sofern es um Gaskammern ging. Die Kammer veranlaßte eine Untersuchung und fand genügend Hinweise, um ihn der illegalen Ausübung des Ingenieurberufs anklagen zu können bzw. eines illegalen Anbietens seiner Dienste in dem Bereich.
Leuchter hat eine Einverständniserklärung unterzeichnet, in der er versichert, niemals Ingenieur gewesen zu sein.
Er habe sich unter anderem in (...) Massachusetts, New Jersey sowie Alabama fälschlicherweise als solcher ausgegeben (...)
Wenn Fred Leuchter heute von Holocaust-Leugnern als Märtyrer und zu Unrecht verfolgter Held dargestellt wird, dann kann das nur bei jemandem auf Glauben stoßen, der nicht weiß, wer Fred Leuchter ist: Ein Lügner, ein Hochstapler und eine verkrachte Existenz.