Shmuel Dayan
"A glick hot uns getrofen"
In dieser oder ähnlicher Form kursiert ein scheinbar triumphierendes Zitat eines israelischen Politikers in rechtsextremen Kreisen:
Der Knessetabgeordnete Shmuel Dayan sagte in den 50er Jahren:162 "A glick hot unz getrofen - 6 Millionen Juden wurden ermordet und wir bekommen Geld dafür."
In Fußnote 162 gibt Jürgen Graf als Quelle an:
Segrev, Tom; The Seventh Million - The Israelis and The Holocaust, Hill and Wang, New York ‘94, S.223
Das ist schlampig, oder eben "revisionistisch". Der Autor heißt Tom Segev ohne 'r', und was den Inhalt angeht - Graf hat das Zitat sicher irgendwo mal gelesen, aber es war mit Sicherheit nicht in Segevs Buch. Vermutlich geht die Zitatfälschung auf Ingrid Rimland zurück, die dieses Stückchen "revisionistische" Geschichtsschreibung schon 1998 in einem "ZGram" (Rundbrief im Auftrag von Ernst Zündel) herumgereicht hat.
Zunächst einmal stammt das Zitat gar nicht von Shmuel Dayan. Vielmehr hielt ein ganz anderer Politiker eine Rede und wurde von Haim (Chaim) Landau mit dem oben zitierten, an Shmuel Dayan gerichteten Zwischenruf unterbrochen.
Zweitens war der Zwischenruf ganz anders gemeint, als es uns die Holocaustleugner einreden wollen. Dazu muss man den Hintergrund betrachten, vor dem diese Knesset-Debatte stattgefunden hat.
Als am 14.05.1948 nach dem Krieg der Staat Israel gegründet wurde, war bekannt, dass die Nazis einen Massenmord an den Juden begangen hatten, auch wenn noch nicht alle Einzelheiten ans Licht gekommen waren. Am 23.05.1949 entstand die Bundesrepublik Deutschland und damit ein völkerrechtliches Subjekt, mit dem Israel verhandeln konnte. Nun stand die Frage im Raum, ob Deutschland an Israel Entschädigungszahlungen leisten sollte.
In Israel gab es zwei Fraktionen, die sich erbittert bekämpften. Eine Seite war die Mapai, die Arbeiterpartei, zu der Ben Gurion und der schon erwähnte Shmuel Dayan gehörten. Diese Fraktion war der Ansicht, man müsse Zahlungen verlangen.
Die andere Fraktion, die Herut-Partei - zu ihr gehörten Menachem Begin und der erwähnte Haim Landau - war strikt dagegen, von Deutschland "Blutgeld" anzunehmen. Einer ihrer Abgeordneten, Johanan Bader, trug im März 1952, kurz vor Aufnahme der Verhandlungen mit Deutschland, einen der vielen zynischen und oft auch persönlich beleidigenden Angriffe gegen die Befürworter der Annahme von Zahlungen vor:
"Stellt euch vor, sie bezahlen euch für sechs Millionen Juden. Aber wenn die Phase der Reparationen vorbei ist ... woher bekommt ihr dann noch einmal sechs Millionen Juden, damit ihr noch mehr Geld kriegt?"
Dies schloss an eine Frage an, die Arieh Ben-Eliezer (Herut) ein paar Monate vorher an die Mapai gerichtet hatte, als bekannt wurde, dass Deutschland nicht mit Bargeld, sondern mit Waren bezahlen wollte.
"Wird zu diesen deutschen Produkten auch Seife gehören, die aus menschlichen Leichen hergestellt wurde?"
In diesem Moment unterbrach Haim Landau mit dem ganz oben zitierten Zwischenruf, um den polemischen Angriff seines Parteifreundes auf die Befürworter der Zahlungen zu unterstützen.
Die "Revisionisten" unterschlagen hier nicht nur die Tatsache, dass es um die Frage der Reparationszahlungen im israelischen Parlament heftige Auseinandersetzungen gab, sondern auch, dass der Zwischenruf genau das Gegenteil von dem aussagt, was sie hineindeuten.
Das verfälschte Zitat taucht außer bei Jürgen Graf und Ingrid Rimland auch in den folgenden Texten und Publikationen auf:
- Horst Mahler, Die verbotene Wahrheit
- Erich Glagau, Das Kerbholz
- Germar Rudolf, Vorlesungen über den Holocaust
- Das National Journal (mehrfach); dort erscheint auch die ebenso zynische Frage von Johanan Bade.
- mzwnews, "Faktencheck[!]: Der Holocaust und die Juden
- Website "Deutsche Lobby"
- Höfelbernd, Die andere Welt
Alle Autoren bis auf Rimland, die etwas mehr Kontext zitiert, geben fälschlicherweise Shmuel Dayan als Sprecher an, und alle nennen Tom Segevs Buch als Quelle, ohne jemals hineingeschaut zu haben.