Björn Höcke

Aktuelle Politik mit alten Sprüchen

Björn Höcke
Björn Höcke
(c) Alexander Dalbert
CC BY-SA 3.0 DEED

Seit 2023 laufen gegen den AfD-Politiker Björn Höcke mehrere Ermittlungsverfahren, weil er den Spruch "Alles für Deutschland" zustimmend verwendet haben soll. Höcke bewertete diese Verfahren als Zensur und klagte auf Twitter, in Deutschland würden "wieder politische Gegner verfolgt", und die freie Meinungsäußerung werde unterdrückt. Er schreibt weiter: "Mir wird das Verbrechen vorgeworfen, ein angebliches Zitat benutzt zu haben, mit dem ich auf eine 'inkorrekte Weise' meinen Patriotismus zum Ausdruck gebracht habe."

Björn Höcke beklagt sich auf Twitter in englischer Sprache über angebliche Zensur in Deutschland

SA-Dolch mit Inschrift
SA-Dolch mit Inschrift
Es handelt sich bei dem Spruch "Alles für Deutschland", um den es hier geht, nicht um ein angebliches, sondern um ein tatsächliches und obendrein häufig verwendetes Zitat aus der NS-Zeit. Einige keineswegs erschöpfende Hinweise sollen dies illustrieren.

Zunächst einmal war dieser Spruch in die Messer der SA eingraviert. Die gewalttätige Schlägertruppe der NSDAP hat mit diesem Waffen Menschen ermordet. Der esoterische Faschist Miguel Serrano schreibt dazu: "Der Sinnspruch auf dem Dolch der SA lautete: 'Alles für Deutschland' und befand sich den Zielen des Germanenordens sehr nahe."[1]

Der SA-Führer Ernst Röhm bezog sich in einem Textbeitrag folgendermaßen auf diesen Spruch:

Freiwillig ist für den S.A. Mann nur der Entschluß, sich den Sturmtruppen der deutschen Erneuerung einzureihen. In dem Augenblick, wo er das Braunhemd anzieht, unterwirft er sich widerspruchslos dem Gesetz der S.A. Dieses lautet: Gehorsam bis zum Tode dem Obersten S.A.-Führer Adolf Hitler! Gut und Blut, Leib und Leben, alles für Deutschland![2]

Der SA-Sturmführer Horst Wessel wurde nach seiner Ermordung zum Märtyrer der Bewegung stilisiert. In einer postum erschienenen Lobeshymne erklärt ein nationalsozialistischer Autor: "Nichts für mich -- alles für Deutschland, das war ihm keine Phrase. Er zeigte stets, daß er es ernst damit meinte."[3]

Es gab seinerzeit auch mehrere Bücher, die diesen Spruch als Titel übernommen haben, so etwa Alles für Deutschland (kein Verf.), Wien 1940, oder Max Gutewort, Alles für Deutschland, Bremen 1935. Auch Hitler selbst benutzte diesen Spruch gelegentlich; so wird er etwa in Deutschland im Kampf von A. J. Berndt folgendermaßen zitiert: "Stahlhart den Willen, vorwärts den Blick, alles für Deutschland!" (S. 104).

Am 31. Dezember 1936 wandte Hitler sich an die Wehrmacht und ermahnte die Soldaten: "Gehorcht auch im Neuen Jahr der ewigen Losung: Alles für Deutschland!".[4]

Im Dezember 1941 verabschiedete sich Generalfeldmarschall von Brauchitsch von der Truppe, da Hitler selbst den Oberbefehl übernommen habe, und schloss mit den Worten: "Der Führer wird uns zum Siege führen. Stahlhart den Willen, vorwärts den Blick! Alles für Deutschland!"[5]

Den Treueschwur für das NS-Regime, der mit diesem Spruch zum Ausdruck kommt, erneuerten manche NS-Größen sogar noch im Tod. So sagte etwa Generalfeldmarschall Keitel in Nürnberg unmittelbar vor seiner Hinrichtung: "Über zwei Millionen deutscher Soldaten sind vor mir für ihr Vaterland in den Tod gegangen. Ich folge meinen Söhnen nach. Alles für Deutschland!"[6]

Auch die Hitlerjugend verwendete diesen Spruch in einer leicht abgewandelten Form[7], und der Neonazi Michael Kühnen griff ihn in Die zweite Revolution auf: "Wer uns bekämpft, wird zerschmettert; wer über uns lacht, dem wird das Lachen schon bald vergehen! Wer aber ehrlichen Herzens den Weg in eine bessere Zukunft für unser Volk sucht, dem reichen wir die Hand! ALLES FÜR DEUTSCHLAND!" (Großschreibung im Original).

Die Gruppe "Ostthüringer Divan" hat auf Twitter im Dezember 2023 einige Beispiele für den historischen Kontext des Spruchs erwähnt. Die Publikation Volksverpetzer hat im Artikel 50 Reden analysiert: So viel Hitler steckt in Faschist Höcke ebenfalls auf dieses Zitat verwiesen und außerdem einen Beitrag zu Höckes SA-Spruch veröffentlicht.

Björn Höcke hat Geschichte für das Lehramt studiert. Er muss diese Zusammenhänge und historischen Hintergründe kennen. Die Behauptung, es handele sich um ein "angebliches" Zitat, klingt vor diesem Hintergrund unglaubwürdig. Es scheint eher so, als wollte Höcke - nicht zum ersten Mal - die Grenzen des Sagbaren austesten, um vorsichtshalber wieder zurückzurudern, sobald er Gegenwind bekommt.

Anmerkungen:

  1. Miguel Serrano, Adolf Hitler, der letzte Avatar, Santiago de Chile 1984, S. 596
  2. Reichsminister Stabschef Ernst Röhm, "Die nationalsozialistische Revolution und die S.A.", in: Monatsschrift für Kulturpolitik und zwischenstaatliche geistige Zusammenarbeit, Herausgeber Dr. jur. Dr. phil. Adolf Morsbach, Heft 6, Juni 1934
  3. Fritz Daum, Horst Wessel, Reutlingen 1933
  4. Max Domarus, Hitler, Reden 1932 bis 1945, Bd. I, S. 661
  5. Domarus, S. 1815
  6. Klaus Kastner, Die Völker klagen an: Der Nürnberger Prozess 1945-1946, Darmstadt 2015, S. 157
  7. Vgl. Johannes Öhquist, Das Reich des Führers, Berlin 1940, S. 192
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