Daniel Goldhagen im Dienst der Auschwitzleugner?
Wie rechtsextremistische Geschichtsfälscher ihre Hilfstruppen rekrutieren
Die Leugner des Judenmordes ziehen manchmal eine Bemerkung von Daniel Goldhagen heran, um den Eindruck zu erwecken, der Autor des Buches Hitlers willige Vollstrecker stelle, genau wie sie selbst, die historische Realität der nationalsozialistischen Massenmord ein Gaskammern in Frage.
Wie viele andere, so ist auch diese Behauptung ein Phantasieprodukt der rechtsextremistischen Geschichtsklitterer.
Die Hinweise sind beispielsweise in folgender Form aufgetaucht:
Denn wenn Vergasungen gemaess Goldhagen eine "Nebenerscheinung" gewesen waeren, dann kann Goldhagen schlecht gleichzeitig von Massenvergasungen ausgehen. Folglich stellt Goldhagen durch die Behauptung von Vergasungen als Nebenerscheinung die Annahme der Massenvergasung ganz eindeutig in Frage, d.h. er verneint Massenvergasungen sogar.
Auch in WAL benutzt Norbert Marzahn diese Argumentationsfigur. Weder dort noch hier erklärt er, woher dieses "Zitat" eigentlich stammt. Die Herkunft lässt sich aber leicht aufdecken, wenn man in Norbert Marzahns ältere Werke schaut. Früher hat er die Quelle nämlich genannt:
Das National-Journal 7/96 zitiert zu Daniel Goldhagen den Spiegel Nr. 21/1996. Prueft nach ! Denn dort wird Goldhagen so zitiert:
"Vergasung war eine NEBENERSCHEINUNG des Abschlachtens der Juden durch die Deutschen."
Hier wird also bereits klar, wohin die Reise sanft fuehren wird !
Seit einiger Zeit behauptet Norbert Marzahn, er hätte mit Rechtsextremisten nichts zu tun, und seitdem verrät er den Lesern nicht mehr, dass er nach wie vor aus diesen "revisionistischen" Quellen, oder besser, aus denselben braunen Tümpeln schöpft.
In Wirklichkeit ist es natürlich nicht Goldhagen, sondern Herr Marzahn, der die Massenvergasungen verneint - oder, genauer gesagt, das rechtsextremistische National Journal, von dem Herr Marzahn diese Idee übernommen hat.
Es ist ein beliebter Trick der Auschwitzleugner, sich auf echte oder vermeintliche Autoritäten - am liebsten natürlich Juden - zu berufen, die angeblich den Judenmord in Abrede stellen. In vielen Fällen ist dies allerdings nur möglich, wenn die betreffenden Äußerungen verzerrt wiedergegeben werden.
So auch hier. Grundlage dieses Manövers ist die SPIEGEL-Ausgabe 21/1996. In einem längeren Beitrag über das Naziregime findet sich auf Seite 77 der folgende Abschnitt:
Selbst nach dem Krieg währte es lange noch, bis die SS-Tarnung der schrecklichsten Stätte in der Menschheitsgeschichte ganz enthüllt wurde; im Nürnberger Tribunal war außer dem Geständnis des Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höß wenig von Auschwitz die Rede. Verleitete sein wirkliches Wissen um die Unwissenheit der Deutschen Goldhagen zu einer absurden Relativierung? Er behauptet: "Vergasen war eine Nebenerscheinung des Abschlachtens der Juden durch die Deutschen."
Wenigstens lenkt er damit die Aufmerksamkeit auf die zentrale Bedeutung der Erschießungen, ein deutsches Trauma, weil es im Kriege durchaus den Deutschen ins Bewußtsein gedrungen war.
Es gibt mehrere Möglichkeiten, was Goldhagen gemeint haben kann. Aus dem Kontext, in den die Äußerung hier gestellt ist, könnte man schließen, dass Goldhagen sich auf die Zeit direkt nach dem Krieg bezieht, in der (wie oben im Zitat erwähnt) von Auschwitz nur wenig die Rede war. Goldhagen könnte den Informationsstand der Menschen in einer bestimmten Zeit gemeint haben: Für diese Leute waren die Massenvergasungen ein Nebenaspekt des Abschlachtens, weil sie darüber nicht informiert waren. Gemeint wäre hier also der subjektive Wissensstand bestimmter Menschen im Gegensatz zum objektiven Sachverhalt.
Eine weitere Möglichkeit ist die, dass Goldhagen den Willen der Nazis, die Juden zu ermorden, als den entscheidenden Punkt ansieht. Die konkrete Methode, mit der sie dieses Ziel verwirklicht haben, war gegenüber diesem unbedingten Willen sekundär - eben ein Nebenaspekt oder eine Nebenerscheinung. Es war den Nazis egal, wie die Juden umgebracht wurden, solange sie nur möglichst schnell in möglichst großer Zahl beseitigt wurden.
Gestützt wird dieser Erklärungsansatz durch einen Abschnitt in "Hitlers willige Vollstrecker". Goldhagen schreibt:
Deutsche erschossen während des ganzen Krieges Zehntausende Juden, so daß gar nicht sicher ist, ob Vergasungen wirklich "effizienter" waren. In vielen Fällen war sogar das Gegenteil der Fall. Die Deutschen zogen die Vergasungsmethode aus Gründen vor, die nichts mit "Wirtschaftlichkeitsberechnungen" zu tun hatten. Der Einsatz von Gas bei der Vernichtung der Juden durch die Deutschen war daher - anders als weithin angenommen - ein nebensächliches Phänomen. Es war leicht anzuwenden, aber nicht unentbehrlich. Auch ohne die Erfindung der Gaskammern hätten die Deutschen ebenso viele Juden ermorden können. Nicht die Mittel, der Wille war entscheidend.
Es ist nicht auszuschließen, dass Goldhagen mit beiden Äußerungen den gleichen Sachverhalt meint, dass seine Äußerung im SPIEGEL jedoch zu stark verkürzt und damit missverständlich ist; ob dies an Goldhagen selbst oder am SPIEGEL liegt, sei dahingestellt.
Es mag auch sein, dass Goldhagen, wie im SPIEGEL angedeutet, tatsächlich eine unkluge, absurde und ungeschickte Bemerkung gemacht hat. Vielleicht kann man ihm wirklich vorwerfen, dass er gedankenlos und missverständlich dahergeredet hat. Als Autor eines umstrittenen Buches sollte er sich eben genauer überlegen, was er sagt, und er müsste eigentlich damit rechnen, dass alle seine Äußerungen sehr kritisch unter die Lupe genommen werden.
Doch so sehr man Goldhagens Äußerung auch kritisieren mag, eines hat er sicherlich nicht getan: Er hat mit Sicherheit nicht die Realität der Massenvergasungen in Frage gestellt.
Wenn also, wie oben im Titel angedeutet, Daniel Goldhagen im Dienst der Holocaust-Leugner zu stehen scheint, dann ganz bestimmt nicht freiwillig, sondern nur aufgrund einer "revisionistischen" Zwangsrekrutierung.