Das ABC der Auschwitzleugner
Richard-Nikolaus Coudenhove-Kalergi (1894-1972)
Richard-Nikolaus Coudenhove-Kalergi war der Gründer der Paneuropa-Bewegung und der Autor mehrerer Bücher. Rechtsextremisten argumentieren manchmal mit einem "Zitat", in dem Coudenhove-Kalergi angeblich einerseits die Vorherrschaft eines jüdischen Adelsgeschlechts und andererseits die Entstehung einer "eurasisch-neogroiden Mischrasse" propagiert.
Dies sei der sogenannte "Kalergi-Plan", der manchmal auch mit Begriffen wie "Umvolkung" und "Völkermord" verknüpft wird: Die Deutschen oder die Europäer seien das Ziel übler (und natürlich jüdischer) Machenschaften und sollen angeblich vernichtet werden.
Was auch immer man gegen Coudenhove-Kalergi und die heute noch existierende "Paneuropa-Union" an kritischen Anmerkungen vorzubringen hat, der oben skizzierte Sachverhalt beruht auf einer Fälschung.
Dies ist eine der Formen, in der das gefälschte Zitat in rechtsextremen Kreisen kursiert:
Wir erstreben ein orientalisches Europa mit einer eurasisch-negroiden Mischrasse der Zukunft. Diese zukünftige Mischrasse wird äußerlich der altägyptischen Rasse ähnlich sein. Führer werden die Juden sein als neuer Adel von Geistes Gnaden.
Allein schon die Tatsache, dass es für dieses angeblich wörtliche Zitat verschiedene Versionen gibt, sollte misstrauisch stimmen.
Eine andere Version klingt so:
Fuer Deutschland wuensche ich mir eine eurasisch-negroide Zukunftsrasse unter Fuehrung der Juden.
Es ist kein Wunder, dass diese "Zitate" meist ohne Quellenangabe verbreitet werden. Sie sind schlicht und ergreifend gefälscht. Manchmal beruht die Fälschung auf Auslassungen, die sich über viele Seiten erstrecken, manchmal werden Wörter hinzugedichtet oder weggelassen.
Hier ist noch dritte Version dieses angeblichen Zitats:
Der kommende Mensch der Zukunft wird ein Mischling sein. Fuer Paneuropa wuensche ich mir eine eurasisch-negroide Zukunftsrasse, um die Vielfalt der Persoenlichkeiten herbeizufuehren. Die Fuehrer sollen die Juden stellen, denn eine guetige Vorsehung hat Europa mit den Juden eine neue Adelsrasse von Geistes Gnaden geschenkt.
Dieses sogenannte "Zitat" ist eine recht eigenwillige Collage von Textstellen aus Coudenhove-Kalergis Buch Praktischer Idealismus. Die drei Abschnitte sehen mit etwas mehr Kontext folgendermaßen aus:
In der Regel ist der Urbanmensch Mischling aus verschiedensten sozialen und nationalen Elementen. In ihm heben sich die entgegengesetzten Charaktereigenschaften, Vorurteile, Hemmungen, Willenstendenzen und Weltanschauungen seiner Eltern und Voreltern auf oder schwächen einander wenigstens ab. Die Folge ist, daß Mischlinge vielfach Charakterlosigkeit, Hemmungslosigkeit, Willensschwäche, Unbeständigkeit, Pietätlosigkeit und Treulosigkeit mit Objektivität, Vielseitigkeit, geistiger Regsamkeit, Freiheit von Vorurteilen und Weite des Horizontes verbinden.
Der Mensch der fernen Zukunft wird Mischling sein. Die heutigen Rassen und Kasten werden der zunehmenden Überwindung von Raum, Zeit und Vorurteil zum Opfer fallen. Die eurasisch-negroide Zukunftsrasse, äußerlich der altägyptischen ähnlich, wird die Vielfalt der Völker durch eine Vielfalt der Persönlichkeiten ersetzen.
So ging schließlich aus all diesen Verfolgungen eine kleine Gemeinschaft hervor, gestählt durch ein heldenmütig ertragenes Martyrium für die Idee und geläutert von allen willensschwachen und geistesarmen Elementen. Statt das Judentum zu vernichten, hat es Europa wider Willen durch jenen künstlichen Ausleseprozeß veredelt und zu einer Führernation der Zukunft erzogen. Kein Wunder also, daß dieses Volk, dem Ghetto-Kerker entsprungen, sich zu einem geistigen Adel Europas entwickelt. So hat eine gütige Vorsehung Europa in dem Augenblick, als der Feudaladel verfiel, durch die Judenemanzipation eine neue Adelsrasse von Geistes Gnaden geschenkt.
Wie man sieht, haben sich die Rechtsextremisten das "Zitat" mit Auslassungen über 30 Seiten hinweg zusammengestückelt.
Als Erstes fällt auf, dass Coudenhove-Kalergi keinen so dringlichen Wunsch äußert, wie es die gefälschten Zitate suggerieren. Er beschreibt lediglich, was seiner Ansicht nach geschehen wird. Zweitens erklärt er, dass sich die "Adelsrasse" der Juden unter dem Druck der Verfolgungen mehr oder weniger zwangsläufig entwickelt hat. Es sei, wie er meint, ein "Ausleseprozess" gewesen, bei dem nur die Tüchtigsten überlebt hätten. Auch dies ist eine Beschreibung der Vorgänge, die er zu sehen meint, aber kein inniger Wunsch.
Eine weitere Fälschung betrifft die Konfession des Autors. Er wird mitunter beschrieben als "Mitglied des B’nai B’rith und Hochgradfreimaurer". Coudenhove-Kalergi war zwar Mitglied einer Freimaurerloge, doch dem Orden B'nai B'rith kann er nicht angehört haben, weil diese Organisation nur jüdische Mitglieder aufnimmt. Die Coudenhove-Kalergis sind ein altes katholisches Adelsgeschlecht.
Ein helfender Angel
Meine Betrachtung der oben stehenden Zitatfälschungen stieß anscheinend nicht auf ungeteilte Zustimmung. Ein helfender Angel war der Ansicht, da könne etwas nicht stimmen:
Zunächst einmal fällt auf, dass der Angel meinen Vornamen nennt, der bisher noch nie auf Twitter erwähnt wurde. Diese falsche Freundlichkeit wirkt in diesem Zusammenhang ein wenig giftig.
Wer mich bei der Arbeit gegen Rechtsextremisten unterstützen möchte, weist mich auf Fehler hin (das kommt sogar öfter vor) und zeigt mir, dass er das Gleiche will wie ich, nämlich mit möglichst fehlerfreien Informationen über Rechtsextremisten aufklären. Dazu gehört in der Regel auch ein Zitat, eine Literaturangabe mit Seitenzahl oder ein anderer konkreter Hinweis, der mir hilft, den Fehler zu korrigieren und meinen Text zu verbessern.
Wer mir nicht helfen will, verzichtet auf hilfreiche, konkrete Angaben, und sagt pauschal, ich solle den Text "in die Tonne kloppen". Spätestens hier wird klar, dass der Angel durchaus helfen möchte - aber eben nicht mir.
Natürlich nehme ich den Inhalt trotzdem ernst, weil ich weiß, dass ich Fehler mache, und sie beheben möchte. Ich habe mir das Buch Adel von Coudenhove-Kalergi als PDF besorgt und mit der Suchfunktion gründlich überprüft. Um mich selbst aus einem anderen Text zu zitieren: Das Zitat ist nicht drin.Für das Buch Adel gilt genau das, was ich oben bereits über die anderen Zitatversionen gesagt habe: Keines davon steht in dieser Form im Buch. Um das zu erhalten, was die Rechtsextremisten als Zitat bezeichnen, muss man Coudenhove-Kalergis Text böswillig manipulieren.
Der gar nicht so hilfreiche Angel hat:
- auf Twitter meinen bisher nicht öffentlich erwähnten Namen genannt
- meinen Text pauschal als wertlos bezeichnet
- als Begründung eine Quelle angegeben, die mich nicht widerlegt
Daraus kann man zweierlei schließen. Erstens: Er möchte, dass das Zitat irgendwie doch stimmen soll, auch wenn er dies nicht wirklich belegen kann. Zweitens: Ihm missfällt grundsätzlich, was ich hier hier treibe.
Noch ein letztes Wort zu Coudenhove-Kalergi selbst:
Einerseits dachte Coudenhove-Kalergi fortschrittlich und setzte sich für ein geeintes Europa ein, andererseits stoßen manche seiner Ideen heute nicht unbedingt auf ungeteilte Zustimmung. Doch egal, was man von dem Mann und seinen Schriften hält, wenn man ihn schon kritisieren will, dann sollte man ihn wenigstens richtig zitieren.
Die hier behandelten Zitatfälschungen sind nur eines von unzähligen Beispielen dafür, dass Rechtsextremisten und Antisemiten keine Argumente haben, solange sie redlich bleiben.