Wo sind sie geblieben?

Eine einfache Frage

Warschauer Ghetto, 1943
Warschauer Ghetto, 1943

Die Argumentationsakrobatik, mit der die Holocaust-Leugner versuchen, den Judenmord wegzudiskutieren, wirft zahlreiche Fragen auf. Eine verblüffend einfache Frage ergibt sich aus dem im Folgenden beschriebenen Zusammenhang.

Im Februar 1943 gab Himmler den Befehl, das Warschauer Ghetto mit seinen 500.000[1] jüdischen Bewohnern aufzulösen. Im Mai 1943 formulierte SS-Generalmajor Jürgen Stroop die Vollzugsmeldung: "Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk in Warschau mehr." Die beiden Quellen sind auf einer anderen Seite dokumentiert. [vgl. Himmler/Stroop]

Zwischen Februar und Mai 1943 sind 500.000 Juden aus Warschau verschwunden. Da es den Bewohnern unter Androhung der Todesstrafe untersagt war, das Ghetto zu verlassen, können sie nur auf ausdrücklichen Befehl der Nazis herausgekommen sein.

Wo sind sie geblieben?

Die Antwort der etablierten Geschichtswissenschaft lautet, dass die Juden mit Zügen in die Vernichtungslager transportiert und getötet wurden. Da die Holocaust-Leugner diese Erklärung verwerfen, müssen sie für den Verbleib dieser Menschen eine andere Erklärung anbieten.

Zwei derartige Versuche sollen hier erörtert werden. Der Erste stammt von Norbert Marzahn und liest sich so:

Ein "Abkommen" war nicht erforderlich und ist unwahrscheinlich. Die Deutschen schoben diese Juden einfach auf Sowjetgebiet und diese "eroberte" sie dann und unterschlug sie.

Norbert Marzahn[1]

Mit der Unterstellung, diese Menschen wären "unterschlagen" worden, bezieht Herr Marzahn sich auf ein Buch von Sonja Margolina. Die Autorin, so Herr Marzahn, hätte acht Millionen Juden erwähnt, die unlängst in der ehemaligen Sowjetunion aufgetaucht wären. Die nahe liegende Schlussfolgerung, die jedem Auschwitzleugner das Herz höher schlagen lässt, lautet natürlich: Wenn in der Sowjetunion auf einmal acht Millionen Juden auftauchen, hat der Judenmord der Nazis nicht stattgefunden.

Diese Argumentationslinie beruht allerdings auf einer Lüge, denn die Autorin hat diese Menschen ausdrücklich als Nichtjuden bezeichnet. Einzelheiten zu diesem Punkt stehen auf einer anderen Seite. [vgl. Margolina]

Offenbar wollte Herr Marzahn mit dieser Unwahrheit die oben schon zitierte Behauptung stützen, die europäischen Juden wären von den Nazis nicht ermordet, sondern in den Osten verfrachtet worden und hätten dort überlebt.

Diese Konstruktion ist einer von zahlreichen Belegen dafür, dass Herr Marzahn genau wie alle anderen "Revisionisten" versucht, die Realität des Judenmordes mit eigenhändig produzierten Fälschungen zu erschüttern.

Es gibt keinen einzigen Beleg dafür, dass Juden aus Warschau in die besetzten Gebiete der Sowjetunion transportiert und dort von den Russen "erobert" worden wären.

Andererseits gibt es zahlreiche Belege dafür, dass die Juden aus den Ghettos in die Vernichtungslager transportiert und ermordet worden sind. Die Züge sind mit Tausenden Juden besetzt in die Lager gefahren und als Leerzüge herausgekommen. Es gibt keine Belege dafür, dass voll besetzte Züge die Lager verlassen hätten. Die Juden sind offensichtlich in die Lager hinein, aber nicht wieder herausgefahren.

Wo sind sie geblieben?

Ein weiterer, nicht minder abenteuerlicher Erklärungsversuch zum Schicksal der Juden aus dem Warschauer Ghetto stammt von Manfred Koch:

Wer sagt denn, dass es diese Aussagen ueberhaupt gegeben hat? Wer sagt denn, dass es ueberhaupt 500 000 "verschwunde Juden" gab? Beweise oder Erklaerungen hat Herr Langowski jedenfalls auch nicht dafuer. Und bei den Geschichts-Faelschungen, die seit mehr als 50 Jahren im Umlauf sind, kann man Himmlers "Aussagen" ohne konkrete Beweise nicht akzeptieren. Die Deutschen karrten die Juden jedenfalls nicht hin- und her. Die 'Verschwundenen" wurden von den Bolschewiken "befreit" und erscheinen daher nicht auf den Retourlisten der dt. Reichsbahn. Was die Bolschewiken mit diesen Juden aus Polen machten, weiss kein Mensch, denn Stalin war ja auch kein Judenverehrer. Ich bin der Meinung, dass die meisten davon Amerikaner geworden sind und dicke Wiedergutmachungen einstreichen.

Manfred Koch[2]

Was sagt Herr Koch hier? Er sagt: Erstens stimmt das mit den 500 000 Juden aus dem Warschauer Ghetto sowieso nicht. Das Dokument aus Himmlers Feder, das sogar als Faksimile vorliegt, sei kein Beweis. Ohne Beweise könne man das nicht glauben.

Weiter sagt er: Falls aber die Juden, die überhaupt nicht im Warschauer Ghetto waren, wider Erwarten dennoch dort waren, dann wurden sie jedenfalls nicht ermordet, sondern von den Sowjets befreit, und was dann mit ihnen passiert ist, weiß niemand so genau. Außer, dass Herr Koch zu wissen glaubt, dass sie Amerikaner geworden wären.

So bastelt sich ein Auschwitzleugner, der über historische Ereignisse notorisch schlecht informiert ist, gleich mehrere Fallback-Positionen, auf die er sich bei nächster Gelegenheit zurückziehen kann, weil er eigentlich jetzt schon weiß, dass seine Behauptungen nicht stimmen und leicht widerlegbar sind.

Der erste Punkt wurde bereits angesprochen: Für die Anwesenheit von mindestens 500 000 Juden im Warschauer Ghetto gibt es ein Dokument von Himmler selbst. Die anderen Beweise, die Herr Koch einfordert, sind überflüssig, solange es ihm nicht gelingt, die Authentizität dieses Dokuments ernsthaft zu bestreiten. Was er bisher dazu geschrieben hat, ist ein eher lahmer Versuch, durch Händewedeln unangenehme Fakten vom Tisch zu bekommen.

Der nächste Punkt - die Juden im Warschauer Ghetto wären von den Sowjets befreit worden und danach in die USA gekommen - wird ebenfalls durch ein Dokument der Nazis selbst widerlegt. Ich erinnere an den bereits erwähnten Stroop-Bericht von Ende Mai 1943: "Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk in Warschau mehr."

Ende 1943 waren die Juden schon nicht mehr in Warschau, zu diesem Zeitpunkt waren die Sowjets aber noch nicht in der Stadt. Da die Juden nicht in die Hände der Sowjets gefallen sind, können sie auch nicht auf diesem Weg in die USA gekommen sein - ganz zu schweigen davon, dass die jüdische Bevölkerung der USA zwischen 1939 und 1948 nur um 350 000 zugenommen hat (vgl. Unity in Dispersion, Anhang).

In Polen gab es im Übrigen nicht nur die 500 000 Juden im Warschauer Ghetto, sondern nach Dokumenten der Nazis selbst zwischen zweieinhalb und drei Millionen jüdische Einwohner. Nach dem Krieg waren es noch 90 000 (vgl. Unity in Dispersion, Anhang).

Wie in Polen war in ganz Europa einschließlich des europäischen Teils der Sowjetunion nach dem Krieg eine drastische Dezimierung der jüdischen Bevölkerung festzustellen.

Ob im Einzelfall nun die Juden aus dem Warschauer Ghetto, die Juden aus dem Generalgouvernement oder die mehr als 400 000 ungarischen Juden zur Diskussion stehen, spielt keine Rolle, denn für fast alle Juden in fast allen Regionen Europas gilt: Vor dem Krieg haben sich diese Menschen noch in den betreffenden Ländern aufgehalten, nach der Besetzung durch die Nazis waren sie nicht mehr da.

Die Frage bleibt also immer die gleiche, solange Auschwitzleugner behaupten, es hätte keine Massenmorde an Juden gegeben:

Wo sind sie geblieben?

Anmerkung

  1. Die Zahl ist zu hoch. Himmler bezog sich vermutlich auf die Zahl von 500.000 Menschen, die in das Ghetto eingeliefert wurden. Zum Zeitpunkt der Auflösung dürften noch etwa 350.000 Bewohner dort gewesen sein. Um nicht die Diskussion zu verfälschen, auf die sich dieser Text bezieht, wurde die Zahl hier unverändert belassen.

Quellen:

  1. Message-ID: <7Da5IiY5bXB @nm01.vision.IN-BRB.DE>
  2. Message-ID: <38d06e21.5108592 @netnews.worldnet.att.net>
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