Das Rennen der Ärzte

Eine Lektion in "revisionistischer Sprachwitzenschaft"

Der Giftpilz - Rassenlehre in der NS-Zeit
"Der Giftpilz" - Rassenlehre in der NS-Zeit

Kratze an einem "Revisionisten", wie sich die Auschwitzleugner nennen, und es kommt ein Rassist zum Vorschein. Juden könnten keine Deutschen sein, behaupten sie, und Hitler hätte mit Recht dafür gesorgt, dass die jüdischen "Parasiten" aus Deutschland vertrieben wurden.

Noch gehen sie nicht so weit, die Vernichtungspolitik des Dritten Reichs ausdrücklich zu billigen. Doch die Verfolgung und Vertreibung der Juden findet durchaus ihren Beifall. Immerhin, so behaupten sie scheinheilig, würden die Juden sich ja auch selbst als Rasse bezeichnen, und wer wollte ihnen da widersprechen? Die "jüdische Rasse" aber, so fahren sie fort, hätte nun einmal nichts mit den Deutschen gemein.

Schauen wir uns das an einem konkreten Beispiel an. Am 27. Juli 1998 schrieb Helmut Fuchs in einem Usenet-Artikel folgendes:

Oberrabbiner Tannenbaum, New York, auf die Frage eines Journalisten, ob die Juden eine auserwählte Rasse seien: sie seien keine auserwählte, sondern eine heilige Rasse.

Helmut Fuchs[1]

Auf den Einwand, das sei ein englisches Zitat gewesen, und Helmut Fuchs habe das englische Wort "race" falsch übersetzt, hat sich Horst Kleinsorg eingeschaltet. Er schrieb daraufhin:

Weisst du, Verdreher, Verleumder , Luegner und Faelscher Langowski, wenn du dich schon mal als "Uebersetzer" ausgibst, dann versuche doch nocht noch neue Definitionen zu schaffen. Juder sind eine _Rasse_ im Sinne des englischen Wortes "race' als auch im deutschen 'Rasse'. Egal wie du dich windest. Gerne versucht das heutige Judentum diese Tatsache wegzuleugnen; orthodoxe Juden sind auch heute noch stolz auf ihre _"Rasse"_.

Horst Kleinsorg[2]

Bei Bedarf können die Antisemiten und Auschwitzleugner diese Behauptungen durch zahlreiche Zitate "belegen", die eines gemeinsam haben: Alle stammen von englischsprachigen Juden, die mit dem Begriff "race" eben gerade nicht das meinen, was der deutsche Begriff "Rasse" aussagt. Um das zu verstehen, muss man wissen, dass das englische Wort "race" eine viel breitere Palette von Bedeutungen haben kann als das deutsche Wort "Rasse".

So ist mit "race" häufig eine identifizierbare gesellschaftliche Gruppe gemeint, die sich nicht durch biologische (genetische), sondern durch kulturelle (also erworbene) Merkmale von anderen Gruppen abhebt. Da wird in großen amerikanischen Wörterbüchern etwa "the race of doctors" ("die Rasse der Ärzte") als Beispiel für eine solche gesellschaftliche Gruppe genannt, was von Horst Kleinsorg flugs umgedeutet wurde zum "Rennen der Ärzte" um das Leben der Patienten. Es ist richtig, daß "race" auch das Rennen im Sinne von Wettlauf sein kann, doch in diesem Fall trifft das mit Sicherheit nicht zu.

Die Bedeutung "Rennen" (als Wettlauf) wird in Wörterbüchern unter dem Stichwort "race" in einer eigenen Rubrik abgehandelt und ist von dem Teil, wo es um Gruppen von Menschen geht, unübersehbar abgesetzt.

Die Erklärungen zu "Rennen" usw. sind beispielsweise im Muret-Sanders[3] als Erstes genannt:

race1 [reis] I s
1. sport. (Wett)Rennen n; (...)

Darauf folgen dann 23 Punkte, von I bis III unterteilt, die sich um Wettrennen, um Stromschnellen, um Raserei usw. drehen. Erst danach geht es weiter mit:

race2 [reis] I s
1. (Ethnologie) 2. Rasse f:
a) Rassenzugehörigkeit f,
b) rassische Eigenart: differences of ~
Rassenunterschiede

Auf diese ersten beiden beziehungsweise auf die gleich folgende fünfte Übersetzungsmöglichkeit nehmen Auschwitzleugner Bezug, wenn sie das Wort "race" mit "Rasse" übersetzen. Sie tun dies ohne Rücksicht auf den Kontext, aus dem häufig genug hervorgeht, dass ganz andere Übersetzungen angebracht wären, wenn ein englischer Muttersprachler das Wort "race" benutzt. Im Muret-Sanders heißt es weiter:

3. Geschlecht n, Stamm m, Familie f, Volk n, -
4. Abstammung f, Her-, Abkunft f: of noble ~ edler
Abstammung, vornehmer Herkunft.

Der fünfte Punkt definiert dann den biologischen Begriff "race", der mit "Rasse" zu übersetzen wäre. Anschließend geht es weiter:

6. Geschlecht n: the feathered ~ das
gefiederte Geschlecht, das Geschlecht
der Vögel; -> human 1. -
7. Menschengeschlecht n. -
8. Kaste f, Schlag m: the ~ of politicians
die Kaste der Politiker. -
9. vornehme Abstammung. -

(...)

Es wird deutlich, dass beispielsweise ein amerikanischer Jude, der sich und seine Glaubensbrüder mit dem Begriff "race" belegt, nicht unbedingt das im Sinn hat, was das deutsche Wort "Rasse" heute ausdrückt.

Würden Juden sich als Rasse sehen, dann müsste es Zitate deutschsprachiger Juden geben, die das deutsche Wort "Rasse" in dem Sinne benutzen, wie Auschwitzleugner es suggerieren, nämlich im Sinne einer eigenständigen biologischen Rasse. Solche Zitate gibt es aber meines Wissens nicht. Wenn Juden sich als Gruppe bezeichnen, dann nennen sie sich meist "Volk", was dem oben zitierten dritten Punkt entspricht, und soweit das Wort "Rasse" oder "race" überhaupt vorkommt, sind viel eher soziologische als biologische Merkmale gemeint.

In der Zeit, aus der die oben erwähnten Zitate stammen, war je nach Theorie von drei bis fünf Menschenrassen die Rede, wobei die Juden jedoch nicht als eigene Rasse gesehen wurden. Ein Autor, der halbwegs gebildet war, muss dies gewusst haben und kann deshalb, wenn er auf Juden bezogen das Wort "Rasse" benutzt hat, nicht den biologischen Rassebegriff gemeint haben.

Die Nazis haben den Rassebegriff weiter zugespitzt und vor allem in Zusammenhang mit der Ausgrenzung und Verfolgung der Juden verwendet. Für die Verbreitung der nationalsozialistischen Rassenlehre in allen Druckwerken hat die Reichsschrifttumskammer unter Goebbels gesorgt. Der Einfluss der Nazis auf die in Deutschland publizierten Büchern machte natürlich nicht vor jüdischen Verlagen Halt.

Gedruckt werden durfte nur, was der Ideologie der Nazis nicht widersprochen hat, und so finden sich auch in den Nachlagewerken jüdischer Verlage Definitionen des Begriffs "Rasse", die sich zwangsläufig sehr eng an die nationalsozialistische Rassenlehre anlehnen. Ein Beispiel ist das 1936 in dritter Auflage erschienene Philo-Lexikon[4].

Derartige Werke werden heute mitunter von Auschwitzleugnern als "Beweis" dafür benutzt, dass die Juden sich selbst als Rasse gesehen hätten - und selbstverständlich unterbleibt dabei der Hinweis, dass die betreffenden Bücher durch die Zensur der Nazis gelaufen sind und stellenweise nicht die Ansichten der Autoren, sondern die Ideologie der Nazis wiedergeben.

Als nächstes habe ich die Definition von "race" aus dem Webster's Third New International Dictionary[5] anzubieten. Wie im Muret-Sanders wird auch dort "race" als Wettrennen und das Rasen in einer eigenen Rubrik abgehandelt. Danach geht es dann mit den Menschengruppen weiter.

Ich mache hier schon auf die Stelle aufmerksam, wo "the Jewish race" gleichberechtigt neben "the race of doctors" steht (Hervorhebung von mir).

7race /"/ n -s [MF, generation, family, fr. It razza]
1 a obs: GENERATION
b obs: the act of breeding (...)
c: a breeding stock of animals (...)
2 a: the descendants of a common ancestor:
a family, tribe, people, or nation
belonging to the same stock <the
impoverished scion of a noble ~>
b: a class or kind of individuals with
common characteristics, interests,
appearance, or habits as if derived
from a common ancestor <the ~ of
doctors> <the whole ~ of mankind>
<the Anglo-Saxon ~> <the Jewish ~>

Vom biologischen Rassebegriff kann bei diesen Definitionen nicht die Rede sein, und als "Wettrennen" kann man "race" hier nur deuten, wenn man ein zu allem entschlossener "Revisionist" ist und Horst Kleinsorg heißt:

Was wahrscheinlich hier gemeint ist, ist z.B. das 'Rennen der Doktore' um ein Leben zu retten genau so wie z.B. 'das Rennen' der Forscher um ein Heilverfahren gegen Krebs oder Aids zu finden.

- Horst Kleinsorg[6]

Zusätzlich gibt es im Webster's noch eine Erläuterung zum Gebrauch des Wortes "race", in der es heißt:

In popular use RACE can apply to any
more or less clearly defined group thought
of as a unit usu. because of a common or
presumed common past <the Anglo-Saxon
race> <the Celtic race> <the Hebrew race>

[Im allgemeinen Sprachgebrauch kann "race"
jede mehr oder weniger klar definierte Gruppe
von Menschen bezeichnen, die man wegen einer
gemeinsamen oder vermeintlich gemeinsamen
Vergangenheit als Einheit betrachtet (das
angelsächsische Volk) (der Stamm der
Kelten) (das Geschlecht der Hebräer)]

Ich habe hier bewusst jeweils verschiedene deutsche Begriffe für das Wort "race" eingesetzt, um zu verdeutlichen, dass es zahlreiche Übersetzungsmöglichkeiten gibt. In allen diesen Fällen wäre das deutsche Wort "Rasse" die falsche Übersetzung.

Wir können festhalten, dass das englische Wort "race" im allgemeinen eine gesellschaftlich identifizierbare Gruppe bezeichnet. Damit können biologische Merkmale gemeint sein, oft ist dies ist aber nicht der Fall. Genauso gut können erworbene soziale Merkmale gemeint sein.

Aus dem Webster's Thesaurus entnehme ich schließlich noch die Synonyme für "race":

blood, breed, clan, color, cultural
group, culture, family, folk, house, issue,
kin, kind, kindred, line, lineage, nation,
nationality, offspring, people, progeny, seed,
species, stock, strain, tribe, type, variety

Wie wir sehen, gilt beispielsweise auch "cultural group" als Synonym für "race". Das kommt dem oben Gesagten recht nahe. Im amerikanischen Englisch dürfte ich "the Irish race" sagen, um die Leute zu bezeichnen, die aus Irland eingewandert sind und in den USA ihre Kultur pflegen. Dies mit "Rasse" zu übersetzen, ist aber falsch.

Wie bereits angedeutet, legen Horst Kleinsorg und andere Auschwitzleugner, wenn sie dieses Spiel treiben, ausschließlich Zitate amerikanischer Juden vor, die sie anschließend falsch ins Deutsche übersetzen. Nachdem es nicht mehr ganz opportun scheint, den Hitlerschen Rassismus offen zu vertreten, verstecken sie sich jetzt scheinheilig hinter dem vermeintlichen jüdischen Rassismus: Wenn die Juden sich selbst als "Rasse" bezeichnen, dann wollen wir da nicht widersprechen.

Der Sinn der Sache ist, die Juden als eine eigene Rasse darzustellen, die mit den Deutschen nichts zu tun hätte. Horst Kleinsorg hat keine Hemmungen, das gelegentlich auch sehr deutlich zu formulieren: Juden könnten keine Deutschen sein, meint er, und stimmt in diesem Punkt mit Hitler überein.

Quellen:

  1. From: H.FUCHS@IUS.gun.de (Helmut Fuchs)
    Subject: Re: Babi Jar
    Date: 27.7.1998
    Message-ID: <6yeskpII2ZB@ hfupoint.ius.gun.de>
  2. From: hk@crosslink.net (Horst Kleinsorg)
    Subject: Re: Babi Jar
    Date: 29.7.1998
    Message-ID: <35be76f8.2784181@ news.crosslink.net>
  3. Der Große Muret-Sanders
    Enzyklopädisches Wörterbuch
    Langenscheidt
    Berlin/München, 7. Auflage 1983
  4. Philo-Lexikon
    Handbuch des jüdischen Wissens
    Jüdischer Verlag im Suhrkamp-Verlag, Frankfurt/Main 1992
    unveränderter Nachdruck der 3. Auflage von 1936
  5. Webster's Third New International Dictionary
    of the English Language, unabridged
    Merriam-Webster
    Springfield, Massachusetts, 1981
  6. From: HK@crosslink.net (Horst Kleinsorg)
    Subject: Re: PC und Rassen (war: Realitaetsfreie Zone)
    Date: Fri, 29 Aug 1997
    Message-ID: <3406af8b.4316386@ news.crosslink.net>
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