"Time" 1938:

Hitler wird "Man of the Year"

Beim Versuch, Hitler und seine Diktatur möglichst schön zu färben, berufen Rechtsextremisten sich manchmal auf vermeintlich renommierte Zeugen; so habe Churchill Hitler als großen Staatsmann gelobt und die amerikanische Zeitschrift "Time" habe Hitler als herausragende Persönlichkeit jener Ära gewürdigt. Das klingt dann beispielsweise so:

Nun rate mal, welches internationale Magazin - das es bis heute gibt - 1939 Hitler auf der ersten Seite als "Man of the Century" abgebildet hatte und warum?

Hans J Kupka

Diesem Rechtsradikalen hat es nicht gereicht, dass Hitler 1938 der Mann des Jahres wurde, es musste gleich der "Mann des Jahrhunderts" sein.

Ahnungslose Leser, die solche Behauptungen lesen und gutgläubig weitertragen, bemerken mitunter nicht, dass die braunen Brüder wieder einmal nur die halbe Wahrheit erzählen.

Es trifft zwar zu, dass Hitler für das Jahr 1938 von der Zeitschrift "Time" zum Mann des Jahres gekürt wurde (der betreffende Artikel erschien dann in der ersten Ausgabe von 1939), doch der Kontext war anders, als die Hitler-Fans uns suggerieren wollen.

Hitlers Ernennung zum Mann des Jahres 1938 war nämlich alles andere als schmeichelhaft.

Adolf Hitler, Man of the Year 1938
Adolf Hitler, Man of the Year 1938

Wenn man bei "Time" die Serie der "Männer des Jahres" durchsieht, stellt man fest, dass fast überall Portraits der betreffenden Persönlichkeiten aufs Titelbild gesetzt wurden. Bei Hitler ist dies anders. Hier sieht man einen vergleichsweise winzigen Mann in SA-Uniform (möglicherweise soll es Hitler selbst sein), der auf einer riesigen Orgel spielt. Darüber dreht sich zu seiner Musik eine Art Riesenrad, an dem Leichen hängen.

Der Text, der zusammen mit Hitlers Ernennung zum Mann des Jahres 1938 von "Time" veröffentlicht wurde, bekräftigt diese negative Bewertung, wie einige Auszüge belegen. (vgl. "Time", 2. Januar 1939)

Hitler habe 1938 in München die Früchte seiner dreisten, trotzigen und rücksichtslosen Außenpolitik geerntet, heißt es da. Er habe Deutschland bis an die Zähne bewaffnet und vor den Augen der fassungslosen und ohnmächtig zuschauenden Welt Österreich gestohlen.

Hitler sei mit Recht zum Mann des Jahres ernannt worden, weil er "im Jahre 1938 zur größten Bedrohung geworden ist, der die demokratische, die Freiheit liebende Welt heute gegenübersteht". Vor einer Generation habe die westliche Zilivisation, vom Krieg zwischen Nationen einmal abgesehen, die schlimmsten Auswüchse der Barbarei überwunden. Die kommunistische Revolution der Russen stand für das Übel des Klassenkampfes, doch Hitler habe sie mit seinem Rassenkampf übertrumpft. Kommunismus und Faschismus, diese unterschiedlichen Formen der Barbarei, hätten 1938 ein Thema auf die Tagesordnung gesetzt, das vielleicht schon bald zu neuem Blutvergießen führen könne: den Kampf zwischen zivilisierter Freiheit und einem barbarischen, autoritären Regime.

In weiteren Abschnitten der Würdigung in "Time" wird der Verlust an Freiheit und Kultur in Hitlers Diktatur beklagt. Hitler habe das Reich auf den Kopf gestellt, Bürgerrechte seien aufgehoben worden. Die Arbeitslosigkeit habe er mit Rüstungsprogrammen bekämpft, politische Gegner seien in Konzentrationslager gesteckt worden und den 700 000 Juden Deutschlands sei es schlecht ergangen, denn man habe sie

physisch gefoltert, ihrer Heime und ihres Besitzes beraubt, am Erwerb des Lebensunterhalts gehindert und von den Straßen verscheucht

Deutschland marschiere im Stechschritt zu Hitlers Musik, die Zehnjährigen würden schon im Werfen von Handgranaten unterwiesen und in Deutschland würde man eher Kanonen als Butter produzieren.

Nein, die Laudatio in "Time" ist alles andere als schmeichelhaft.

Und wenn man schon dies alles unterschlägt und wahrheitswidrig suggeriert, Hitler sei von "Time" als Mann des Jahres positiv gewürdigt worden, dann muss natürlich auch unerwähnt bleiben, dass einer seiner zeitweiligen Kumpane sogar zweimal auf diese Weise "ausgezeichnet" wurde. 1939, also direkt nach Hitler, und noch einmal 1942 hieß der Mann des Jahres Josef Stalin.

Siehe auch:

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