Schlechtes Karma

Von Ratten und anderen Volksschädlingen

Im Forum des braun schillernden Verschwörungsesoterikers Jo Conrad war Anfang November 2001 in einem Beitrag Folgendes zu lesen:

Nicht der Veröffentlicher muss nachweisen, dass der Täter etwas nicht begangen hat, sondern der Täter muss sich zunächst von diesen Handlungen distanzieren. Das ist wie gesagt ein Indiz, das er diese neue Handlung nicht begangen hat.

Wenn er nicht einmal das tut, wie die Leute, die in dem Rattenlink dargestellt werden, sonder lustig seine Hasseiten weiter veröffentlicht, welches moralische Recht habt er dann auf Unterlassung der Veröffentlichung dieser Dinge.

Zumal es extrem schwierig ist, sie dabei zu erwischen, wie sie Straftaten begehen, weil sie sich gerne wie Ratten im Dunkeln aufhalten und nur zu Überfällen ans Tageslicht kommen, und wenn, dann auch noch verkleidet, damit man es ihnen nicht nachweisen kann.

Rolf Kerner[1]
Filmszene aus Der ewige Jude
Filmszene aus
Der ewige Jude

Diese Beweislastumkehr ist bemerkenswert: Ein anonymer Netznazi veröffentlicht persönliche Daten über einige Teilnehmer meiner Mailing-Liste, und wir müssen uns rechtfertigen, dass die dort aufgestellten Behauptungen nicht stimmen.

Mit dieser Methode kann man buchstäblich alles beweisen - wahrscheinlich sogar die Behauptung, dass Jo Conrad eine integre Persönlichkeit sei.

Doch diese "revisionistische" Beweisführung ist nur eine Randerscheinung. Viel wichtiger ist das Menschenbild, das hier zum Ausdruck kommt; ich habe die Vokabeln oben hervorgehoben.

Filmszene aus Der ewige Jude
Filmszene aus
Der ewige Jude

Es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass die Herren in Conrads Dunstkreis ausgerechnet auf den Vergleich mit Ratten verfallen sind, denn dies hat unter Rechtsextremisten eine gewisse Tradition.

Vorbild dieser Denkweise - ob bewusst oder nicht - dürfte der Nazi-Propagandafilm Der ewige Jude gewesen sein, der Juden und Ratten als Schädlinge nebeneinander gestellt hat.

Dieser menschenverachtenden Einstellung sollte man gegenüberstellen, was der Forumsbetreiber Jo Conrad an anderen Stellen predigt:

Und da jeder das selbst erfahren muß, was er anderen Teilen von Gott zugefügt hat, lernt jeder im laufe vieler tausend Leben, daß es besser ist, anderes Leben zu achten und zu respektieren. Daß Menschen so viele negative Gefühle gegen andere haben, ist, weil sie vergessen haben, wo sie herkommen, und weil unsere Religionen auch wenig dazu beitragen, die Trennung aufzuheben.

Jo Conrad

Kurz darauf hat Jo Conrad sich folgendermaßen halbherzig distanziert:

Zu dem "Ratten" Thema: nun ich hätte es nicht so formuliert. Aber andere haben nun mal ebenso das Recht, ihre Meinung zu anderen Seiten auszudrücken, wie Du das hast.

Vielleicht sollte Herr Conrad sich mal ein paar Gedanken über die negativen Gefühle machen, die direkt vor seiner Nase ausgelebt werden; womöglich könnte er dort sogar den einen oder anderen kleinen Beitrag leisten, um "die Trennung aufzuheben". Denn so etwas wie dies hier - und wer wüsste das besser als Herr Conrad - gibt mindestens fünf Minuspunkte auf der Karma-Quittung.

Nachlese

Eine Leserzuschrift veranlasste mich im September 2005, mich noch einmal mit Jo Conrad und seinen Schriften zu befassen. Dazu habe ich zunächst Jo Conrads Text Entwirrungen herangezogen. Unter seinen Quellenangaben finden sich zahlreiche Werke aus rechtsextremen Verlagen.

Conrad zitiert beispielsweise aus Paradoxie der Geschichte von B. Uschkujnik. Eine Kritik an diesem Werk ist nirgends zu entdecken. Uschkujnik schreibt auf Seite 111:

Nur eines kann man mit Sicherheit sagen: Die Zahl der russischen Opfer übersteigt bei weitem die fiktive Zahl der "6 Millionen" Opfer Hitlers.

Meine Hervorhebung verdeutlicht, dass Uschkujnik den Judenmord für eine Fiktion hält. Uschkujnik ist ein Holocaust-Leugner. Conrad hat damit offenbar keine Probleme. Warum nicht? Vielleicht deshalb:

Bei uns ist es verboten zu bezweifeln, dass es den Holocaust in diesem Ausmaß gegeben hat. Das soll hier natürlich nicht geschehen, aber man muss sich fragen, warum Zweifel an etwas verboten sind, das jederzeit beweisbar wäre.

Conrad, Entwirrungen, S. 64 (PDF-Version)

Der Kritik an den Gesetzen, die das Leugnen des Holocaust unter Strafe stellen, kann ich mich anschließen, allerdings nicht in dieser Form und nicht mit diesem Zungenschlag.

Aufschlussreich ist der Irrealis in Conrads letztem Satz. Conrad meint den Holocaust und spricht über die Zweifel an etwas, "das jederzeit beweisbar wäre", was nichts anderes heißt, als dass ein schlüssiger Beweis für den Judenmord seiner Ansicht nach noch nicht geführt worden ist. Wäre er überzeugt, dass es solche Beweise gibt, dann hätte er den Stand der historischen Forschung folgendermaßen zutreffend beschrieben: "... warum Zweifel an etwas verboten sind, das tausendfach bewiesen ist."

Bemerkenswert ist auch, dass Conrad sich mehrfach auf den Autor Woltersdorf bezieht, der eine "brillante Analyse" der Weltverschwörung entwickelt habe. Woltersdorf ist ein ehemaliger SS-Mann, seine Texte sind in rechtsextremen Verlagen erschienen, auch er ist ein Antisemit, und auch er hat mindestens zeitweise den Judenmord geleugnet. Auch hier ist bei Conrad kein kritisches, distanzierendes Wort zu finden.

Abschließend sei noch Jan van Helsing genannt, über den Conrad schreibt:

Besonders die beiden Bücher "Geheimgesellschaften" 1+2 von Jan van Helsing (Pseudonym) können jedem nur wärmstens ans Herz gelegt werden.

Conrad, Entwirrungen, S. 48 (PDF-Version)

Van Helsings Bücher strotzen vor Fehlern, der Autor betreibt rechtsextreme Geschichtsfälschung und bezieht sich - wie Conrad - mehrfach auf braune Agitatoren, die den Holocaust leugnen (vgl. Jan van Helsing, Geheimgesellschaften).

Conrads Text Entwirrungen ist 1996 erschienen. Hat sich die Sichtweise des Autors inzwischen geändert? Über den Holocaust ist auf seinen Webseiten im September 2005 nicht viel zu finden. Unter seinen Literaturhinweisen tauchen allerdings immer noch zahlreiche rechtsextreme Werke auf, zum Teil sogar diejenigen, die er schon in Entwirrungen benutzt hat. Auf seiner Linkseite finden sich weitere einschlägige rechtsextreme Angebote. Conrad verweist beispielsweise auch auf den mehr als fragwürdigen Dieter Rüggeberg.

In der Rubrik "Religion" stößt man schließlich noch auf ein Stück antisemitische Agitation, die offenbar ebenso in Conrads Weltbild gehört wie der zwanglose Umgang mit Holocaustleugnern. Conrad schreibt:

Hier ein paar Bibelstellen, die nur die Wenigsten kennen, um Ihnen zu helfen, zu einer Gottesvorstellung zu kommen, die eindeutig zwischen einem liebevollen Schöpfer des Universums und einem Rachegott des Alten Testamentes unterscheidet. (In heutigen Bibelübersetzungen wird der Name des Gottes "JHWH", also Jahwe oder Jehova, meistens mit 'Der Herr' übersetzt. Hier wird wieder der Namen dieses Gottes verwendet.)

Der liebevolle Schöpfer ist natürlich der Gott, an den Conrad glaubt. Der "Rachegott des Alten Testamentes" ist dagegen der böse Gott der Juden. Die zitierten Bibelstellen schenke ich mir, da es hier vor allem auf Conrads Bewertung dieser Zitate ankommt. Er kommentiert seine Auswahl unter anderem folgendermaßen:

Jahwe ruft 'sein' Volk zum Totschlag auf
Jahwe ist allen Nichtjuden feind
Jahwe hetzt zum Unfrieden
Jahwe fordert Massenmorde an Nichtjuden
Jahwe ist Terrorist
Jahwe sucht Kriegsgründe
Jahwe ist unversöhnlich
Jahwe freut sich zu vernichten
Der Herr ist rachsüchtig
Jahwe ist grimmiger Verderber
Jahwe straft unschuldige Nachkommen
Jahwe fordert Blutopfer
Jahwe ist grausam
Jahwe stiftet zum Diebstahl an
Jahwe handelt mit Sklaven
Jahwe schützt Verbrecher
Jahwe redet Unheil
Jahwe lobt Massenmord

Dies alles sagt Conrad über den Gott der Juden, und er benutzt als Beleg das Alte Testament. Die Tatsache, dass das Alte Testament auch eine Grundlage des Christentums und des Islam ist, fällt bei Conrad unter den Tisch - er hat es eben auf die Juden abgesehen.

Erwähnen sollte man noch, dass Conrad einige Absätze vorher das Prinzip des Karma erläutert und direkt oder indirekt auf die von ihm ausgewählten Bibelstellen Bezug nimmt. Er spricht über die Hinwendung vieler Menschen zu östlichen Philosophien, in denen Karma und Wiedergeburt eine Rolle spielen, und fragt:

Ist es nicht tatsächlich einleuchtender, daß jemand, der in einem Leben ein grausamer Sklaventreiber war, im nächsten Leben selber als Sklave inkarniert wird, um zu erfahren, wieviel Leid damit verunden ist, so daß er sich in wider einer späteren Inkarnation für die Rechte der Versklavten einsetzen wird?

In seiner Kommentierung der Bibelzitate stellt Conrad die Juden nicht als Opfer, sondern als Täter dar, die von einem grausamen Gott bei ihren Verbrechen unterstützt würden: "Jahwe handelt mit Sklaven ... Jahwe lobt Massenmord ..." Dieser Kontext lässt eigentlich nur den Schluss zu, die Juden hätten ihr Schicksal aus karmischen Gründen verdient.

Die Wahrheit zu sagen ist ein Akt der Liebe, der nur dem Ganzen dienen kann.

Diesen Satz hat Conrad ganz vorn in sein Buch geschrieben. Anscheinend hält er es für einen "Akt der Liebe", antisemitische Agitation zu betreiben und die Ideen von Holocaust-Leugnern zu verbreiten.

Anmerkung:

  1. Aus einer Leserzuschrift geht hervor, dass es sich bei "Rolf Kerner" um jenen Rolf Dodenhoff handeln soll, den Jo Conrad in einem seiner Bücher als "Mentor" bezeichnet habe.

Siehe auch:

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