Dieter Rüggeberg

Wer half Hitler?

Buchcover I. Maiski, Wer half Hitler?

Rüggebergs Text erschien nach Angaben des Autors als Anhang zu Iwan Maiski, Wer half Hitler?

Gleich zu Anfang kann Rüggeberg mit einer recht gewagten Feststellung aufwarten: Hitler sei in Nürnberg nicht als Angeklagter geführt worden, daher habe man die Kriegsschuldfrage nicht aufarbeiten können. Wäre dies geschehen, dann hätte man "bei sachgemäßer Durchführung und Ursachenforschung zwangsläufig die hier aufgezeigten Tatsachen" herausgefunden. Mit diesen Tatsachen ist offenbar etwas gemeint, das von der gängigen Geschichtsschreibung stark abweicht. Da dies aber für die Allierten sehr unangenehm geworden wäre, so fährt Rüggeberg fort, "setzten sie das Märchen von Hitlers Selbstmord in die Welt, um dadurch weiteren Nachforschungen zu entgehen".

Die Umstände, unter denen Hitler Selbstmord beging, sind allerdings weitgehend geklärt. Wer wie Rüggeberg die Ansicht vertritt, die Geschichtsschreibung sei in diesem Punkt fehlerhaft, der muss sehr überzeugende Beweise und Belege anbieten, um sich mit seiner Sichtweise durchzusetzen.

Rüggeberg verzichtet jedoch völlig auf Beweise; anscheinend glaubt er, eine nicht weiter begründete Behauptung von ihm reiche aus, um die bisherigen Erkenntnisse der Historiker aufzuheben.

Dieser Verzicht auf glaubwürdige Belege ist symptomatisch für den gesamten Text. Die weitaus meisten Behauptungen werden nicht durch Fakten und Quellenangaben gestützt, und wo Quellen genannt werden, sind sie höchst zweifelhafter Natur.

So bezieht sich Rüggeberg etwa auf Juden in Frankreich von Heinz Ballensiefen. Der Text hat einen deutlich erkennbaren antisemitischem Zungenschlag, und der Kontext, in dem die Abhandlung ursprünglich anzusiedeln ist, wird deutlich, wenn man weiß, was Rüggeberg verschweigt: Ballensiefens Abhandlung ist bereits 1940 erschienen.

Beim Verfasser handelt es sich höchstwahrscheinlich um eben jenen SS-Hauptsturmführer Ballensiefen vom Reichssicherheitshauptamt, der 1944 an einer Tagung der Judenreferenten teilgenommen hat. Das RSHA war unter Reinhard Heydrich und Ernst Kaltenbrunner unter anderem für die "Judenpolitik" des Reichs - also letztlich für die Vernichtung der Juden - zuständig.

Rüggeberg scheint den Schilderungen dieses Nazi-Funktionärs vorbehaltlos Glauben zu schenken.

Gleich danach zitiert Rüggeberg aus Rudolf Kommoss, Juden hinter Stalin. Auch dies ist ein antisemitischer Text der Nazis, der 1938 erschien und bis 1944 mehrmals neu aufgelegt wurde. 1989 gab der rechtsextreme "Verlag für Ganzheitliche Forschung und Kultur" einen Nachdruck heraus. Auch hier verschweigt Rüggeberg das ursprüngliche Erscheinungsdatum und somit den historischen und weltanschaulichen Kontext, in dem das Werk betrachtet werden muss.

Rüggeberg bemüht auch das Buch Bevor Hitler kam von Dietrich Bronder, das schon in Zusammenhang mit Adolf Hitler - Begründer Israels von Hennecke Kardel als nicht eben zuverlässige Quelle aufgetaucht ist. Es ist bei rechtsradikalen Verschwörungstheoretikern recht beliebt.

Als Beleg für seine Ideen über Hitlers Geldgeber nennt Rüggeberg unter anderem Springers Nazionismus von Jean Ledraque (d.i. der Altnazi Hennecke Kardel), das die Hitler-Finanzierung und die Ermittlungen gegen Hitler behandelt. Dort taucht auch das so genannte Abegg-Archiv auf, von dem gelegentlich behauptet wird, es enthalte wichtige Beweise. Ledraques Buch enthält aber keineswegs die Beweise selbst, sondern lediglich einige Hinweise darauf, dass irgendwelche Akten vernichtet worden seien. Über deren Inhalt erfährt man so gut wie nichts.

Weiterhin bezieht sich Rüggeberg auf den Text Hexeneinmaleins einer Lüge von Emil Aretz, in dem unter anderem der Judenmord der Nazis infrage gestellt wird. Auch dies ist sicher keine Quelle, von der man verlässliche historische Auskünfte erwarten kann. Rüggeberg muss die Intentionen des Buchs erkannt haben, und wenn er die Quelle dennoch benutzt, ohne sich zu distanzieren, dann gibt er zu erkennen, dass er gegen die Leugnung des Holocaust an dieser Stelle keine Einwände hat.

Über die Zusammenarbeit zwischen den Antisemiten Henry Ford und Adolf Hitler weiß Rüggeberg schließlich Folgendes zu berichten:

Die wichtigsten Mittelsmänner zwischen Ford und Hitler waren die russischen Emigranten. Kurz nachdem Ford als Antisemit an die Öffentlichkeit getreten war, begann eine kleine Gruppe zaristischer Russen für ihn zu arbeiten (Es ist wahrscheinlicher, daß die erwähnten Russen nicht zaristischer, sondern zionistischer Natur waren, d.V.).

Rüggeberg greift hier ein Motiv auf, das in einer bestimmten Fraktion des rechtsextremen Spektrums häufig zu beobachten ist: Der Judenmord wird zunächst klein geredet und so weit wie möglich infrage gestellt, und was dann noch übrig bleibt, wird zur innerjüdischen Angelegenheit umdeklariert und den Juden selbst in die Schuhe geschoben.

Die Behauptung, Ford und Hitler hätten mit Zionisten zusammenarbeitet, zielt offenbar in diese Richtung - und wie alle anderen, die dies behaupten, hat auch Rüggeberg keinerlei Beweise anzubieten. An dieser Stelle gibt es nicht einmal eine nachvollziehbare Quellenangabe.

Ein zweiter Kanal für die Geldzahlungen an Hitler, so Rüggeberg, sei durch eine Mitteilung dokumentiert, die der damalige Vizepräsident des bayerischen Landtages Auer an Reichspräsident Ebert gesandt habe. Auch für diese Behauptung, die sogar mit einem Zitat garniert wird, fehlt jeglicher Beleg.

In Zusammenhang mit dem Freimaurertum greift Rüggeberg dann auf die Veröffentlichung B'nai-B'rith-Judentum und Weltpolitik von Walter Freund zurück und gibt im bibliographischen Anhang "Struckum 1990" als Erscheinungsort an.

Dies mag die Quelle sein, die er benutzt hat, doch die Angabe ist unvollständig. Es handelt sich hier um einen Nachdruck, denn ursprünglich ist das Buch unter dem Titel Die grossen Unbekannten der amerikanischen Weltpolitik im Jahre 1942 in Essen erschienen - auch dies ist somit als Propagandamaterial der Nazis zu bewerten, dem Rüggeberg wieder einmal vorbehaltlos Glauben schenkt.

Gleich danach folgt dann die Behauptung:

Logenbruder Hitler, Mitglied einer 99er-Loge, ehrt den Logenbruder Ford

Für die Behauptung, Hitler sei "Mitglied einer 99er-Loge" gewesen (was auch immer dies sein soll), hat Rüggeberg keinerlei überprüfbare Angaben.

Wenn man untersucht, welche Argumente und vor allem welche Belege Rüggeberg anzubieten oder vielmehr nicht anzubieten hat, dann muss man dem Autor bescheinigen, dass er nichts weiter getan hat, als einen schwachen Aufguss einer alten Geschichte zu verbreiten.

Wer sich zudem, wie Rüggeberg es tut, in einem nicht unerheblichen Ausmaß einerseits die Agitation der Nazis zu eigen macht und andererseits die Herkunft seiner Argumente verschweigt, der setzt sich zwangsläufig dem Vorwurf aus, höchst unaufrichtig zu argumentieren und heimliche Sympathien für den Nationalsozialismus zu hegen.

Zum Abschluss sollen noch einige Bestandteile der Literaturauswahl beleuchtet werden, die Rügggeberg seinen Lesern ans Herz legt.

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